Betreff
Anfrage der CDU-Stadtratsfraktion - Tariftreue im Tischlerhandwerk - Ausschreibungen der Stadt Eisenach
Vorlage
AF-0227/2016
Art
Anfrage

II. Fragestellung

 

1.       Sind die o.a. Informationen hinsichtlich der Nichtbeachtung der Tarifverträge des Tischlerhandwerkes der neuen Bundesländer durch die Stadtverwaltung Eisenach zutreffend und wie beurteilt die Stadtverwaltung diese Situation?

2.       Falls zutreffend, warum wird die bestehende Tariftreue nicht vollumfänglich (100 Prozent) umgesetzt?

3.       Ist vorgesehen, den tarifgebundenen Handwerksbetrieben zukünftig den erforderlichen Stellenwert bei der öffentlichen Auftragsvergabe zukommen zu lassen?

 


ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

 

Zunächst sei vorangestellt, dass die Beantwortung der gestellten Anfrage einer etwas weitergehenden Erläuterung bedarf, da die Information der Tischlerinnung nur eine unvollständige Aussage zum besagten Vergabeverfahren beinhaltet und dieses somit verfälscht. Es wird der Eindruck erweckt, dass durch die Stadt Eisenach allgemeinverbindliche Tarifverträge nicht beachtet werden. Das ist eine unrichtige Behauptung, gegen welche ich mich hiermit ausdrücklich verwahre!

 

Zu 1. und 2.:

Die Stadt Eisenach hat im September 2015 Leistungen zur Sanierung der Fenster in der Oststadtschule öffentlich ausgeschrieben. Nach Eingang und Wertung der Angebote wurden die anderen Bieter gemäß Thür. Vergabegesetz (ThürVgG) über die geplante Zuschlagserteilung informiert. Nach dieser Information wurde durch eine Eisenacher Tischlerfirma Einspruch erhoben mit der Begründung, dass dieser und noch weitere Bieter nicht Mitglied in der Tischlerinnung wären und somit von der Vergabe auszuschließen sind. Nutznießer dieses Ausschlusses wäre dann die Einspruch erhebende Eisenacher Firma gewesen. Diese Firma wurde sowohl schriftlich als auch mündlich die Vergabeentscheidung und deren Richtigkeit erläutert. Entsprechend ThürVgG wurde das Vergabeverfahren an die zuständige Vergabeprüfstelle (Thür. Landesverwaltungsamt, Vergabekammer) weitergeleitet.

 

Im Rahmen dieser Prüfung wurde festgestellt, dass die Vergabe nicht zu beanstanden war – der Zuschlag konnte wie geplant erteilt werden.

 

Der Einspruch basierte auf einer Fehlinterpretation des § 10 Thüringer Vergabegesetz:

㤠10 - Tariftreue und Entgeltgleichheit

(1) Für Bauleistungen und andere Dienstleistungen, die das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) in der jeweils geltenden Fassung erfasst, dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen Arbeitsbedingungen zu gewähren, die mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrags entsprechen, an den das Unternehmen aufgrund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gebunden ist. Satz 1 gilt entsprechend für Beiträge an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Sinne des § 5 Nr. 3 AEntG sowie für andere gesetzliche Bestimmungen über Mindestentgelte.“

Durch die Eisenacher Tischlerinnung wird in diesen § 10 Abs. 1 eine zwingende Tarifzugehörigkeit bzw. einen Tarifabschluss hineininterpretiert. Dies ist aber weder gemeint, noch gewollt. In Deutschland arbeiten rd. 50 % (Ost) bzw. rd. 1/3 (West) aller Beschäftigten in Firmen und Betrieben, die keinem Tarifvertrag unterliegen. Dies bestätigt sich auch bei einem Blick auf die Firmen/Bieter, welche gemäß der Interpretation der Eisenacher Tischlerinnung vom Vergabeverfahren auszuschließen wären.

 

Wie dem obigen Auszug zu entnehmen, beinhaltet der § 10 des ThürVgG Tariftreue und Entgeltgleichheit. Dies bedeutet konkret, dass die Firmen an die gesetzlichen Vorgaben zur Lohnzahlung und Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer gebunden sind. Die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer (insbesondere die Sicherstellung gleicher Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeitnehmer) in der Firma soll damit gewährleistet werden. Hinsichtlich der Lohnzahlung gilt, falls kein allgemeingültiger Tarifvertrag zwingend abgeschlossen werden muss, die Zahlung des Mindestlohnes. Für verschiedene Branchen und Industriezweige existieren allgemein-verbindliche Tarifverträge. Dies ist aber bei dem in Rede stehenden Gewerk nicht der Fall. Der individuelle Tarifvertrag, welcher hier zur Begründung vorgelegt wurde, ist nicht vergaberelevant, da Thüringen das einzige Bundesland ohne allgemeine Tarifbindung der Tischler-Innung ist. Dabei gibt es noch die Besonderheit, dass aus dem Landesinnungsverband (LIV) des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks HKH Thüringen vier Innungen ausgetreten und eine Tarifbindung mit der IG Metall eingegangen sind. Hierbei handelt es sich um die Innungen der Landkreise Hildburghausen-Meiningen (Schmalkalden), die Innung Holzhandwerk des Kreises Gotha (Gotha), die Tischlerinnung Eisenach (Eisenach) sowie die Tischlerinnung Obereichsfeld (Leinefelde). Auf diesen individuell abgeschlossenen Tarifvertrag, welcher aber nicht allgemeingültig ist, stellt der Einspruch der Eisenacher Tischlerinnung ab.

 

Zu 3.:

Die meisten Firmen orientieren sich an ähnlichen Tarifverträgen und zahlen auch Löhne, welche wesentlich höher sind, als der Mindestlohn. Dies ist in Anbetracht der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch verständlich, da es sich immer schwieriger gestaltet, ordentliche Fachkräfte zu binden. Somit ist die Aussage, dass „ … den Arbeitnehmern monatlich 142,68 € Bruttolohn vorenthalten wird.“ schlichtweg eine Unterstellung. Gleiches gilt für die Aussage, dass nicht tarifgebundenen Betrieben ein Wettbewerbsvorteil verschafft wird.

 

Die nicht durch einen Tarifvertrag gebundenen Firmen gehören meistenteils zu kleineren und/oder mittelständigen Unternehmen. Die Förderung des Mittelstandes wiederum ist ein Hauptanliegen des Thüringer Vergabegesetzes.

 

Tarifgebundene Handwerksbetriebe haben bereits den erforderlichen Stellenwert bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Voraussetzung ist allerdings ein allgemeingültiger und kein individueller Tarifvertrag. Wenn man auf derartige Individualvereinbarungen abstellen würde, käme dies einer nicht zulässigen Wettbewerbsbeschränkung gleich.