Betreff
Grundsatzbeschluss zur Neugestaltung des Karlsplatzes
Vorlage
0754-StR/2017
Art
Beschlussvorlage Stadtrat

I. Beschlussvorschlag:

 

Der Stadtrat der Stadt Eisenach beschließt:

Das Projekt „Neugestaltung Karlsplatz“ auf der Grundlage der Entwurfsplanung der Planungs-ARGE  v.Trott zu Solz,  Helk und Wilke von 2007 soll dem Grundsatz nach umgesetzt werden. Der vorgenannte Entwurf soll durch Vertreter der Stadtverwaltung, der o.g. ARGE und dem 2016 beauftragten Büro ITS Ingenieurgesellschaft mbH überarbeitet werden, um den anerkannten Regeln der Technik auch in den Punkten Dimensionierung Oberbau und Busverkehr Rechnung zu tragen. Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Sport ist über diesen Prozess und seine Ergebnisse zu informieren. Die Entwurfsplanung des Büros ITS von 2016 zur „Sanierung der Stützmauer am Nikolaitor“ als Stahlbetonschwergewichtsmauer mit historischer Vorsatzschale aus Sandstein (Variante D), wird bestätigt.

 


II. Begründung:

 

In Weiterführung der Stadtratsbeschlüsse aus 2003 (0772/2003) und 2004 (0844/2004) ist es das Ziel, die technischen Planungen aus 2007 wieder aufzunehmen, fortzuführen und die Baumaßnahme „Neugestaltung Karlsplatz“ baulich umzusetzen.

 

Die abgeschlossene Entwurfsplanung beruhte dabei auf vorgegebenen städtebaulichen, stadtgestalterischen und denkmalpflegerischen Anforderungen zur Neugestaltung des Karlsplatzes.

 

1.    Entwurfsplanung:

 

In der Einwohnerversammlung am 16.02.2017 wurde der Entwurf von 2007 zur „Neugestaltung Karlsplatz“ der Öffentlichkeit nochmals vorgestellt. Die Einwohnerversammlung wurde unter Leitung von Bürgermeister Dr. Uwe Möller gemeinsam mit dem Förderkreis zur Erhaltung Eisenachs e.V. und dem Freundeskreis „Karlsplatz Schaffen“ durchgeführt. Im zweiten Teil der Präsentation wurde der Bürgerschaft die Möglichkeit gegeben, Fragen und Anregungen zur Umsetzung der weiteren Planungsphasen zu geben. In diesem Zusammenhang wurde der Vorschlag aus der Bürgerschaft aufgenommen, durch eine Anpassung der Planung im Bereich des Ärztedenkmals mehr „Grün“ auf dem Karlsplatz vorzusehen. Die öffentliche Vorstellung und die konstruktive Fragerunde sind sehr positiv verlaufen.

Nach derzeitigen Kostenschätzungen sind die Projektkosten mit 6,408Mio € angegeben. Diese splitten sich in 5,123Mio € Baukosten und 1,285Mio € Planungs- und Nebenkosten. In den Vermögenshaushalten 2016 und 2017 und der Vorausschau bis 2019 sind die Kosten und Einnahmen mit dem Stand 18.11.2016 angemeldet. Die Einnahmen sind anteilig über die Städtebauförderung aus dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz geplant. Diese können zur Finanzierung von Maßnahmen mit einer hochwertigen städtebaulichen Qualität zur Erreichung der Erhaltungs- und Sanierungsziele der Stadt mit einem Zuschuss von 80% der Kosten beantragt werden. Eine Zusage zur Finanzierung durch den Fördermittelgeber für den beantragten Bauabschnitt (Sanierung Stützwand Nikolaitor) steht noch aus. Im Vermögenshaushalt 2017 sind 2,249Mio € angemeldet, für die Anmeldung 2018 und 2019 sind jeweils 1,692 Mio € vorgesehen. Durch die Weiterführung der Planungsleistungen werden die Kosten für die Haushaltsanmeldungen 2018 und 2019 in den nächsten Monaten genauer ermittelt.

Die Stadt Eisenach hat damit die Möglichkeit, einen gestalterisch hochwertigen, gut funktionierenden Platz als Ergänzung zum Markt für zukünftige Veranstaltungen zu erhalten und dabei die baulichen, derzeit bestehenden Missstände auf dem Karlsplatz zu beseitigen. Zusätzlich zur Verbesserung der verkehrlichen Situation für Fahrzeuge, Radfahrer, Fußgänger und mobilitätseingeschränkte Verkehrsteilnehmer bestünde zukünftig die Möglichkeit, Kulturveranstaltungen wie z.B. Konzerte stattfinden zu lassen. Weiterhin kann parallel zum Markt vielfältig geplant werden für Stadtfeste wie z.B. Sommergewinn, Bachwochen, Telemann-Tage, Kinderkulturnacht, Weihnachtsmärkte und sportliche Großereignisse sowie weitere Veranstaltungen der Wartburgstadt Eisenach.

 

Die gesamte Maßnahme „Neugestaltung Karlsplatz“ ist in folgende Teile aufgeteilt:

Neugestaltung Karlsplatz (Verkehrs- und Freianlagen)

Sanierung der Stützwand am Nikolaitor

Sanierung des unterirdisch verlaufenden Löbersbachs

Beseitigung der Altlasten im Bereich der alten Tankstelle

Technische Ausrüstung des Platzes (z.B. Beleuchtung)

 

Vorbehaltlich der Finanzierung, der Zeitschiene und den erforderlichen Genehmigungen sind für 2017 die Planungsleistungen aller Komplexe geplant. Zum Ende des Jahres soll unter Einbeziehung aller Baubeteiligten (wie z.B. auch der Trink- und Abwasserverband Eisenach-Erbstromtal, die Eisenacher Versorgungs-Betriebe und weitere) und in Abstimmung mit allen Behörden und Fachämtern die Ausführungsplanung abgeschlossen werden und die Vergabe der Bauleistungen 1. Bauabschnitt und Sanierung der Stützwand am Nikolaitor durchgeführt werden. In 2018 sollen unter der Vorrausetzung der abgesicherten Finanzierung und nach Beendigung aller Genehmigungs- und Planungsprozesse ab dem Frühjahr die vorher genannten Komplexe baulich umgesetzt werden. Die Fortführung der Baumaßnahme ist für die Jahre 2019 bis 2021 vorgesehen.

 

2.    Anpassung der Planung des Oberbaus der Fahrbahn nach RStO12

 

Dem Ziel folgend, einen multifunktionalen Platz im Altstadtbereich mit einheitlichem, ansprechenden Erscheinungsbild ohne optische Trennung von Fahrbahn, Platzfläche und Gehwegen zu schaffen - der Karlsplatz soll wieder von Hauskante zu Hauskante erlebbar werden – und zur Abbildung des historischen Stadtgrundrisses war der auf dem Ergebnis des Workshops fußende Gestaltungsentwurf für den Karlsplatz bislang von einer durchgehenden Pflasterung in Naturstein ausgegangen. Dieser Entwurf folgte damit auch den Maßgaben der denkmalfachlichen Zielstellung des Gestaltungsworkshops von 2004:

 

-       Material der Oberfläche in Anlehnung an die Gründerzeit wählen

-       Betonung von Fahrbahnen und einstigen Handelswegen durch Material, Format, Verlegeart und Bodenprofil

-       Platzfläche ist als homogene und belebte Pflasterfläche auszubilden.

 

Die Ergebnisse des Workshops wurden im auf den Workshop nachfolgenden Entwurfsprozess bestätigt und von der AG Karlsplatz gebilligt.

 

Die Wechselwirkung zwischen historischer Bebauung und authentischer Oberflächengestaltung ist für das Eisenacher Stadtbild von hoher Bedeutung, weil identitätsstiftend und imagefördernd. Ein atmosphärisches Pflasterbild in Naturstein würde der touristischen Bedeutung des Ortes am besten gerecht werden. Gerade ein altehrwürdiger gepflasterter Platz, flankiert von historischen Bauten, stellt das Sinnbild der in der ganzen Welt bewunderten „Europäischen Stadt“ dar.

 

Die bereits im Entwurf 2006 geplante Bauweise für die Fahrbahn des Karlsplatzes in Natursteinpflaster ist jedoch nach der Richtlinie für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen, Ausgabe 2012, RStO12, eine Sonderbauweise. Der Knotenpunkt „Karlsplatz“ stellt einen enorm stark belasteten Verkehrsknotenpunkt dar. Die Stadtlinien des ÖPNV wie auch mehrere Regionallinien queren mehrfach täglich den Karlsplatz. Eine Verkehrszählung im Juni 2016 hat eine tägliche Belastung von 602 Bussen im Bereich Nikolaitor ergeben. Somit ergibt sich rechnerisch für den Oberbau eine Belastungsklasse 32. Die Regelbauweise für Pflasterflächen endet zwei Klassen tiefer bei der Belastungsklasse 3,2 (bis 130 Busse/Tag).

 

Eine gesetzliche Gewährleistung für die Sonderbauweise in Natursteinpflaster wird durch das von der Stadt Eisenach beauftragte Planungsbüro abgelehnt. Es ist im Falle einer Auftragsvergabe der Bauleistungen davon auszugehen, dass das Bauunternehmen über Bedenkenanzeigen ebenfalls die Gewährleistung ablehnen wird. Das Amt für Tiefbau und Grünflächen sieht hier ein großes Haftungsrisiko, welches im Falle einer Durchführung nach Fertigstellung der Baumaßnahme durch die Stadt Eisenach alleine zu tragen wäre.

Weitere Nachteile der Pflasterbauweise in Bezug auf die Verkehrsbelastung:

-       Hohe Bau- und Unterhaltungskosten (Gesamtaufbau Fahrbahn ca. 1,00m)

-       Vermutliche Gesamtnutzungsdauer der Fahrbahn < 10 Jahre

-       Längere Bauzeit

-       3-4 Monate Liegezeit der Pflasterfläche nach Fertigstellung vor Inbetriebnahme

-       Bettungsmaterial wird vermutlich nach 10-15 Jahren verschlissen sein

-       Keine Frost-Tausalzbeständigkeit im Dränbeton (Setzungsempfindlicher Aufbau)

-       Austragen des Fugenmaterials (Hoher Pflegeaufwand und Folgeschäden)

-       Konflikt mit bestehenden Versorgungsleitungen aufgrund des hohen Aufbaus (Folgekosten, Bauzeitverlängerung, erhöhter Koordinierungsaufwand)

 

Die o.g. technischen Regelwerke stellen anerkannte Regeln der Technik i. S. d. § 4 Abs. 2 Ziffer 1 VOB/B dar, welche von jedem Werkunternehmer sowie von jedem Planer eingehalten werden müssen.

Die Vereinbarung einer bestimmten Art der Ausführung (vorliegend: Sonderbauweise Pflasterung trotz Belastungsklasse 32), die den anerkannten Regeln der Technik nicht gerecht wird, genügt allein nicht für die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Risikoübernahme durch den Unternehmer / Planer. Nur dann, wenn sich ergibt, dass der Bauherr die Risiken kannte und sich bereit erklärte, wegen dieser Risiken den Unternehmer von seiner Erfolgshaftung freizustellen, kann eine solche Abrede angenommen werden. Die Risikoübernahme wird daher in aller Regel nur angenommen werden können, wenn der Unternehmer den Auftraggeber zuvor über die Risiken einschließlich der möglichen Folgen aufgeklärt hat. Diese Grundsätze gelten auch für den Architektenvertrag. Seine Erfolgshaftung für eine genehmigungsfähige Planung kann der Architekt nur durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung abbedingen.

 

Dies bedeutet, dass der mit einer nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Planung/Ausführung beauftragte Planer/Unternehmer nur dann für eine mangelfreie Werkleistung haftet, wenn er die vorgenannte Tatsache nicht rügt. Jede Rüge durch den Planer oder Unternehmer würde die Stadt in die Risiko- und Haftungsübernahme führen.

Aus technischen wie auch rechtlichen Gründen (Haftungsrisiken) kann für diese mit Fördermitteln geplante Baumaßnahme nur mit einer technisch und wirtschaftlich sauberen Lösung geplant werden. Die Gewährleistungszeiträume für die Fahrbahn müssen für den Planer und das Bauunternehmen rechtlich bindend sein. Somit kann nach RStO12 nur eine Regelbauweise in Betracht kommen. Die RStO12 regelt in der Belastungsklasse 32 den Aufbau im Üblichen als Asphaltfahrbahn. Stand der Technik sind Oberflächenbehandlungen im Asphalt in Struktur und Farbe, die im Rahmen der Genehmigungsplanung in Abstimmung mit den für Stadtbild und Denkmalschutz zuständigen Ämtern und Behörden fachlich besprochen und beschieden werden müssen.

 

Bei der Erneuerung der öffentlichen Freiflächen wurde in Umsetzung der Forderung nach einem einheitlichen Stadtbodenkonzept bisher eine (fast) durchgängige Pflasterung der Oberflächen der Altstadt in Natursteinpflaster, teilweise bereits in Sonderbauweise, vorgenommen. Eisenach ist seit 25 Jahren Programmgemeinde im „Städtebaulichen Denkmalschutz“ und hat bislang aus dem gleichnamigen Städtebauförderprogramm alle Gestaltungsmaßnahmen der Altstadt finanzieren können, so auch den Workshop „Karlsplatz“ und – soweit förderfähig – ist die Umsetzung der Planung angedacht.

 

Soweit allerdings bei einer Pflasterung als Sonderbauweise Planer oder Baufirmen die Freistellung von Gewährleistungsansprüchen begehren, würde die Stadt Eisenach das Herstellungsrisiko tragen, auch bei etwaigen Baumängeln. Darum sollen die Busspuren („Fahrwege“) auf dem Karlsplatz in Asphaltbauweise ausgeführt werden, was zu einer erkennbaren Veränderung des Gestaltungsentwurfs führt. Auch wenn beispielsweise Asphalt zum Einsatz kommen sollte, bleibt ein wahrnehmbarer Unterschied in der Oberflächengestaltung des Karlsplatzes, die Fahrwege setzten sich deutlich von den übrigen Flächen ab, eine beabsichtigte einheitliche Struktur ist damit nicht mehr gewährleistet.

 

 

3.    Sanierung der Stützwand am Nikolaitor Variante D als Stahlbetonschwergewichtsmauer mit historischer Vorsatzschale aus bestehenden Sandstein

 

In der  14. Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Sport am 06.06.2016 wurde die Entwurfsplanung zur Sanierung der Stützwand vorgestellt. In der darauf folgenden 15. Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Sport am 11.07.2016 wurde die Entwurfsplanung präzisiert (u.a. steinrestauratorische Planung) und die Wirtschaftlichkeit der Vorzugsvariante D (Schwergewichtsmauer aus Stahlbeton mit Vorsatzschale aus bestehendem Sandstein) gegenüber den anderen Varianten nachgewiesen. Nach den anerkannten Regeln der Technik und den nicht zu vernachlässigen Unterhaltungskosten (Eigenmittel der Stadt Eisenach) konnte damit die wirtschaftlich und nachhaltig optimale Variante zur Sanierung der Stützwand am Nikolaitor ermittelt werden.


Anlagenverzeichnis:

 

1.       Beschluss 776/2003

2.       Beschluss 777/2003

3.       Beschluss 844/2004

4.       Planungsunterlagen