Betreff
Beitritt zur KIV Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH
Vorlage
0328-StR/2020
Aktenzeichen
20.1 / 81 41 01
Art
Beschlussvorlage Stadtrat

I. Beschlussvorschlag:

 

Der Stadtrat der Stadt Eisenach beschließt:

1.    Die Stadt Eisenach beteiligt sich als Gesellschafterin durch den Erwerb von Anteilen in Höhe von 85,27 Euro an dem kommunalen IT-Dienstleister in Thüringen – Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH (KIV).

2.    Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt und ermächtigt, allen notwendigen Beschlüssen, Verträgen und Rechtshandlungen zum Beitritt der Stadt Eisenach zu dem Thüringer Kommunalen IT-Dienstleister – Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH (KIV) – zuzustimmen. Die Oberbürgermeisterin wird in diesem Zusammenhang ebenfalls beauftragt und ermächtigt, alle im Rahmen des Beitrittsverfahrens erforderlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies gilt auch für die Einholung von rechtsaufsichtlichen Genehmigungen sowie die notarielle Abwicklung der Beteiligung.

3.    Die Oberbürgermeisterin wird ermächtigt, dem Gesellschaftsvertrag der KIV (Anlage 1) sowie der Gesellschaftervereinbarung der KIV (Anlage 2) einschließlich ggf. notwendiger redaktioneller Änderungen aufgrund von behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen zuzustimmen.


II. Begründung:

 

Einführung

 

Am 27. Mai 2020 wurde die KIV Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH (im Nachfolgenden „KIV“) zum kommunalen IT-Dienstleister für Thüringer Gemeinden, Städte, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise umgegründet. Gesellschafter der KIV sind der Freistaat Thüringen, die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen sowie der Gemeinde- und Städtebund Thüringen. Den Thüringer Kommunen ist es möglich, sich ebenfalls an der KIV durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen als Mitgesellschafter zu beteiligen.

 

Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ist die Entwicklung, Wartung, Beschaffung, Bereitstellung, Betreuung und betriebliche Abwicklung technikunterstützter Informationsverarbeitung einschließlich der Einbringung aller damit im Zusammenhang stehenden Beratungs- und Schulungsleistungen sowie die Beratung und Unterstützung bei Digitalisierungsvorhaben innerhalb der Verwaltungen. Sie unterstützt insbesondere die Gesellschafter darin, ihre Verpflichtungen und Aufgaben aus dem Onlinezugangsgesetz des Bundes sowie dem Thüringer E-Government-Gesetz zu erfüllen.

 

Hierbei soll die Gesellschaft ihre Leistungen für die Gesellschafter zukünftig inhousefähig anbieten können, so dass die Gesellschafter gestützt auf den Ausnahmetatbestand des § 108 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der Lage sein sollen, der Gesellschaft Aufträge zu erteilen, ohne hierfür ein Vergabeverfahren durchführen zu müssen.

 

Ausgangssituation

 

Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis zum Ende des Jahres 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Zudem sind Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen. Das OZG verpflichtet damit auch alle Kommunen bis zum 31. Dezember 2022 alle von der Kommune angebotenen Verwaltungsleistungen ebenfalls zusätzlich vollständig elektronisch abzubilden, inklusive einer Identifizierungs- und Bezahlmöglichkeit für Bürger und Unternehmen. Zudem werden sich aus dieser gesetzlichen Verpflichtung und deren Erfüllung erhebliche Auswirkungen auf die Arbeit der Kommunalverwaltungen im übertragenen Wirkungskreis ergeben.

 

Darüber hinaus stellt auch die Umsetzung der Vorgaben aus dem Thüringer E-Government-Gesetz (ThürEGovG) die Kommunen in Thüringen vor erhebliche Herausforderungen, die überwiegend nicht im Alleingang zu bewältigen sind.

 

Die kommunale Informationsverarbeitung in Thüringen ist derzeit geprägt durch folgende Umstände:

 

-       Das Thüringer Landesrechenzentrum (TLRZ) ist Landes-IT-Dienstleister und steht damit für IT-Verfahren den Kommunen nicht als kommunaler IT-Dienstleister zur Verfügung.

 

-       Größere Verwaltungseinheiten setzen die Informationsverarbeitung durch eigene/interne Ressourcen um.

 

-       Die Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH in Gotha mit den bisherigen Gesellschaftern ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen und Gemeinde- und Städtebund Thüringen bietet IT-Services auf der Grundlage von privatrechtlichen Verträgen den Kommunen in Thüringen an. Diese Leistungen und Services sind zuvor von den Gemeinden (ergebnisoffen) auszuschreiben.

 

-       Das Land Thüringen stellt den Kommunen über die Thüringer E-Government Förderrichtlinie Gelder in Höhe von insgesamt 80 Mio. Euro verteilt über 5 Jahre zur Verfügung. Diese Fördermittel wurden bisher in nur unzureichendem Umfang ausgereicht.

 

Diese Umstände sind kaum geeignet, den künftigen Anforderungen, die u. a. aus den bereits genannten gesetzlichen Anforderungen resultieren, im erforderlichen Maß gerecht zu werden.

 

Entwicklung eines Thüringer kommunalen IT-Dienstleisters

 

Ein Blick in alle anderen Bundesländer zeigt, dass sich dort zur Koordination und Aufgabenteilung mit einer indirekten oder direkten Beteiligung von Verwaltungen und kommunalen Spitzenverbänden zahlreiche kommunale IT- Dienstleister etabliert haben. Es ist davon auszugehen, dass diese aufgrund ihres Angebotes und der Möglichkeit, die Leistungen dort u. U. inhousefähig zu erwerben, qualifizierter sind, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam mit den Kommunen zu meistern.

 

Um eine solche Einrichtung auch für Thüringer Kommunen zu ermöglichen, haben sich das Land Thüringen, die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen und der Gemeinde- und Städtebund Thüringen e. V. in den vergangenen Monaten über eine mögliche Umgestaltung der bestehenden Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH beraten und abgestimmt.

 

Öffnung der Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH

 

Ausgangspunkt des kommunalen IT-Dienstleisters für Thüringen ist die Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH. Mit dieser ist bereits ein Akteur vorhanden, der sich im Bereich der kommunalen Informationsverarbeitung seit vielen Jahren betätigt.

 

Gesellschafter der Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH waren bis zum  27. Mai 2020 der Gemeinde- und Städtebund Thüringen e. V. zu rund 49% sowie die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen, ebenfalls zu rund 49%. Die verbleibenden 2% hielt die KIV GmbH bislang selbst. Seit dem 27. Mai 2020 halten der Gemeinde- und Städtebund Thüringen e. V. und die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen jeweils 45,45% der Gesellschaftsanteile. Das Land hat 9,09% der Geschäftsanteile erworben. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.800 Euro.

 

Die KIV GmbH soll in ihrer jetzigen Rechtsform als Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen bleiben und für den Beitritt von einzelnen Gemeinden, Städten und Verwaltungsgemeinschaften als Gesellschafter durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen geöffnet werden. Weitere zentrale Zielstellung bei der Errichtung des kommunalen IT-Dienstleisters ist das Erreichen der sog. Inhouse-Fähigkeit.

 

Das Land Thüringen ist bereits Gesellschafterin des kommunalen IT-Dienstleisters geworden. Durch diese Beteiligung des Landes am kommunalen IT-Dienstleister kann in dieser engen Kooperation die Digitalisierung in Thüringen vorangetrieben sowie die Zusammenarbeit mit dem Landesdienstleister TLRZ bestmöglich koordiniert und in sinnvoller Arbeitsteilung organisiert werden (bspw. bei der Umsetzung von iKfz Stufe 3).

 

Aufgrund der Öffnung der Gesellschaft für die Kommunen sowie zur möglichen Erreichung der Inhouse-Fähigkeit wurde der bereits bestehende Gesellschaftsvertrag der KIV GmbH umfassend geändert und liegt nun zur Unterzeichnung durch die Kommunen vor. Der Gesellschaftsvertrag ist als Anlage 1 beigefügt. Durch die Zahlung in Höhe von 85,27 Euro erwirbt die Kommune 1 Geschäftsanteil im Nominalwert von 1 Euro. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde wird hierdurch nicht geschmälert. Ein darüber hinaus gehender Erwerb von Geschäftsanteilen ist nicht möglich. Eine Nachschusspflicht und damit eine Verpflichtung zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter oder unangemessener Höhe sind ausgeschlossen. Hinzu kommen einmalig Notarkosten für den Erwerb des Anteils in Höhe von ca. 200 Euro.

 

Darüber hinaus wurde, insbesondere zur Herstellung der Inhouse-Fähigkeit des kommunalen IT-Dienstleisters eine sog. Gesellschaftervereinbarung (Anlage 2) erstellt. Dabei handelt es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Parteien. Darin können nähere Einzelheiten geregelt werden, bspw. Stimmbindungen und Besetzungen von Geschäftsführung und Aufsichtsräten. Durch die darin vereinbarte Bildung von Gesellschaftergruppen wird insbesondere auch der Einfluss der Gemeinden im Aufsichtsrat gestaltet. So wird hier ein Einfluss ermöglicht, der über den geringen Umfang der Beteiligung sogar hinausreicht.

 

Rechtsformenvergleich

 

Die GmbH als Kapitalgesellschaft empfiehlt sich demnach im Vergleich der Rechtsformen des privaten Rechts insbesondere hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten und Haftungsbeschränkungen der Kommunen, der Flexibilität in der Gestaltung und Finanzierung sowie der Erfüllung der weiteren kommunalrechtlichen Vorgaben der unternehmerischen Betätigung nach § 71 ff. ThürKO.

 

Geschäftstätigkeit des kommunalen IT-Dienstleisters

 

Folgende Dienste, Dienstleistungen und Fachanwendungen stellt der kommunale IT-Dienstleister zur Verfügung, welche die Gesellschafter in freier Entscheidung ganz oder teilweise nutzen können:

-       Strategieentwicklung Beratung & Training (z.B. für die Einführung einer Digitalen Agenda)

-       Beratung, Entwicklung sowie Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben und OZG

-       IT-Sicherheit (z.B. Einführung eines ISMS)

-       Ausschreibung und Beschaffungsmanagement (z.B. Software, Hardware, Dienstleistungen…)

-       Kommunale Cloud Dienste (Rechenzentrum)

-       Software als Service, Plattform als Service in der Kommunal-Cloud

-       Infrastruktur als a Service z.B. Bereitstellung von Servern, Langzeitspeichert etc. mit zentraler Administration und Datensicherung

-       Kommunaler Austausch und Weiterbildung

-       Kommunal-Software direkt vor Ort (Auswahl) – dezentrale Administration von ausgewählten IT-Infrastrukturen

-       Eigene Softwareentwicklung (Schnittstellen, Fachverfahren)

-       Beratung und Support von ausgewählten IT-Fachanwendungen

-       Technik und Netze

-       Unterstützung förderfähiger E-Government-Vorhaben und deren Umsetzung auf Basis vorhandener oder einzuführender Softwarelösungen in der Gesellschaft (z.B.  Kommunalgateway, E-Rechnung, IT-Sicherheit, Workflowmanagement).

 

Mit Etablierung des kommunalen IT-Dienstleisters wird zudem eine Forderung des Thüringer Rechnungshofs - Bereich Kommunalprüfung, umgesetzt. Dieser hatte gefordert, dass ein gemeinsamer zentraler IT-Dienstleister in Thüringen etabliert wird, welcher die Kommunalen IT-Aufgaben landeseinheitlich mit gleichen Maßstäben erfüllt.

 

Vorteile durch die Gesellschafterstellung beim kommunalen IT-Dienstleister

 

Zusammenfassend ergeben sich durch die Gesellschafterstellung der Stadt Eisenach bei der Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH nachstehende Vorteile:

-       Wegfall der Bindung von Ressourcen für die Erarbeitung von umfassenden Leistungsbeschreibungen, insbesondere dann, wenn die Durchführung von europaweiten Ausschreibungen entbehrlich ist

-       Zeitgewinn durch wegfallende Leistungsverzeichnis-Erarbeitungen und Vergabeverfahren

-       Zeitgewinn wird sich positiv auf die Umsetzung der E-Government-Maßnahmen auswirken

-       Fördermittelfähige Vorhaben lassen sich zielgerichtet und zügig umsetzen

-       Ausreichung von E-Government Fördermitteln wird erleichtert

-       aufgrund möglicher Inhousevergabe ist die Beschaffung von IT-Produkten und Dienstleistungen aus dem Portfolio der KIV für die Kommune ausschreibungsfrei und zügig möglich

-       Realisierung der nach den gesetzlichen Regelungen geforderten elektronischen Verwaltungsleistungen wird erleichtert

-       Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des IT-Betriebs und des IT-Service

 

Weitere Schritte

 

Nach der Beurkundung des notariellen Vertrages zum Erwerb des Geschäftsanteils muss dieser als Grundlage der Beteiligung der Stadt Eisenach an der GmbH durch das Thüringer Landesverwaltungsamt als Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 73 Abs. 1 Satz 4 ThürKO genehmigt werden. Der Antrag auf rechtsaufsichtliche Genehmigung wurde bereits mit Schreiben vom 17.07.2020 an das Thüringer Landesverwaltungsamt gesandt mit dem Hinweis, die weiteren, zur Genehmigung benötigten Unterlagen, nachzureichen.

 

Da das Projekt eines kommunalen IT-Dienstleisters einschließlich des Entwurfs des Gesellschaftsvertrags und des Entwurfs der Gesellschaftervereinbarung zwischen dem TFM und dem TMIK abgestimmt ist, ist davon auszugehen, dass aus rechtsaufsichtlicher Sicht keine grundsätzlichen Einwände gegen eine Beteiligung der Stadt Eisenach an der KIV bestehen.

 

 

 

 


Anlagenverzeichnis:

 

Anlage 1 – Gesellschaftsvertrag KIV GmbH

Anlage 2 – Gesellschaftervereinbarung KIV GmbH

 

Die Anlagen können Sie im Internet unter www.eisenach.de à Rathaus à Stadtrat und Gremien à Ratsinfosystem unter dem Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung und im Büro des Stadtrates einsehen.