Betreff
Prüfergebnis zur Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen der Weigerung zur Einhaltung der Maskenpflicht während der Stadtratssitzung
Vorlage
0502-BR/2021
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

 

Zur Sitzung des Stadtrates am 2. Februar 2021 haben sich die AfD- und NPD-Stadtratsfraktionen geweigert, der vorgeschriebenen Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der gesamten Sitzung nachzukommen. Daraufhin wurde nach mehrmaligen Ordnungsrufen der Ausschluss der Mitglieder der genannten Fraktionen beschlossen. Die Mitglieder der AfD-Stadtratsfraktion haben danach den Sitzungsraum verlassen. Die Mitglieder der NPD-Stadtratsfraktion weigerten sich jedoch, den Sitzungsraum zu verlassen. Nach einer längeren Pause, in der die Situation nicht geklärt werden konnte, hat der Stadtrat den Abbruch der Sitzung beschlossen.

 

Im Anschluss wurde geprüft, inwiefern die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) vorliegen.

 

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht die Auffassung, dass der NPD-Stadtratsfraktion rechtmäßig ein Ordnungsgeld nach § 12 Abs. 3 S.2 ThürKO auferlegt werden könnte.

 

Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt.

 

Die Mitglieder der NPD- und AfD-Stadtratsfraktionen haben ihre Verpflichtungen aus der Übernahme des Ehrenamtes schuldhaft verletzt.

 

Nach § 12 Abs. 3 S. 1 ThürKO haben Bürger, Ehrenämter u. a. sorgfältig und gewissenhaft wahrzunehmen. Ihnen kommt also eine Sorgfaltspflicht bei der Übernahme der Aufgaben, gleich welcher Art, zu. Die Sorgfaltspflicht bezieht sich auf die Ausübung des gesamten Mandats und ist nicht beschränkt. Die §§ 37, 38 ThürKO konkretisieren hingegen nur weitere Verpflichtungen der Amtsträger, sind aber nicht abschließend.

 

Um nun zu ermitteln, ob in unserem hiesigen Fall eine Sorgfaltspflichtverletzung seitens der Amtsträger der AfD- und NPD-Stadtratsfraktionen vorliegt, muss geklärt werden, wie sich eine Person in der konkreten Situation hätte verhalten müssen, d. h. was vorliegend als sorgfältiges Verhalten anzusehen wäre.

 

Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich dabei nach den Anforderungen, die an einen gewissenhaften und besonnenen Menschen, der sich in der konkreten Lage befindet und dem Verkehrskreis des Täters angehört (also hier grundsätzlich Amtsträger eines Stadtrates), bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage zu stellen sind.

 

Ein Stadtratsmitglied als Teil der Exekutive ist stets gem. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden. Gemeindevertreter unterliegen daher einer strengen Gesetzesbindung, die ihren politischen Gestaltungsspielraum beschränkt.

 

Ist nun eine Allgemeinverfügung (geltendes Recht) durch den Wartburgkreis ergangen, in der ausdrücklich und zweifelsfrei geregelt ist, dass während Sitzungen kommunaler Gremien eine Mund-Nasen-Bedeckung zur Eindämmung der Corona – Pandemie zu tragen ist, so hätte sich ein umsichtiger und besonnener Amtsträger an diese Verfügung des Wartburgkreises gehalten und sich zum Schutz vor einer weiteren Verbreitung der Pandemie einen Mund-Nasen-Schutz auch während der Sitzung an seinem Platz aufgezogen. Das beharrliche Verweigern dessen durch die Mitglieder der AfD- und NPD-Stadtratsfraktionen stellt ein regelwidriges Verhalten dar.

 

Selbst wenn die Amtsträger der rechtlichen Auffassung gewesen wären, dass diese Allgemeinverfügung rechtswidrig wäre, so hätten sie das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes während der Sitzung dennoch nicht verweigern dürfen, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in der Sache vorgelegen hätte. Erst bei gerichtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung hätte den Amtsträgern das Recht auf Verweigerung zugestanden. Das willkürliche Durchsetzen vermeintlicher Rechte der AfD- und NPD-Stadtratsfraktionen verstößt hier gegen den Grundsatz der Demokratie, insbesondere des Gewaltenteilungssystem.

 

Ein umsichtiger und besonnener Amtsträger hätte eine solche Verweigerung wohl nicht vorgenommen, sondern hätte sich an die rechtliche Vorgabe aus der Allgemeinverfügung des Wartburgkreises gehalten. Insofern haben vorliegend die Mitglieder der AfD- und NPD-Stadtratsfraktionen ihre Sorgfaltspflicht aus § 12 Abs. 3 S. 1 ThürKO verletzt.

 

Diese Verletzung erfolgte auch schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig.

 

Vorsätzlich handelt, wer mit Wissen und Wollen (absichtlich) die Tat begeht. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt.

 

Vorliegend dürfte wohl mindestens eine grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar Vorsatz bejaht werden können. Die Amtsträger kannten die Vorschriften und haben sich trotzdem diesen bewusst widersetzt.

 

Die ThürKO sieht in § 12 Abs. 3 S. 2 für solche Fälle ein Ordnungsgeld von bis zu 2.500 EUR vor.

 

Auch verdrängen die in § 41 ThürKO genannten Ordnungsmittel nicht das in § 12 Abs. 3 S. 2 ThürKO geregelte Ordnungsgeld. In § 12 Abs. 3 S.3 ThürKO ist gerade bestimmt, dass neben dieser Vorschrift die Verantwortlichkeit nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleibt. So wäre hier grundsätzlich § 41 neben § 12 ThürKO kumulativ anwendbar. Es wäre jedoch auf der Rechtsfolgenseite im entsprechend anzuwendenden Ermessen zu entscheiden, inwieweit eine Pflichtverletzung doppelt zu „bestrafen“ wäre. Daher ist davon auszugehen, dass die AfD-Stadtratsfraktion wohl auf Grund des Sitzungsverweises bereits angemessen sanktioniert worden ist. Die NPD-Stadtratsfraktion, die dem Sitzungsverweis nicht folgte, dürfte hingegen nicht angemessen sanktioniert worden sein, sodass gegen diese noch ein Ordnungsgeld verhängt werden könnte.

 

Da es sich hier um eine Angelegenheit handelt, die den Stadtrat intern betrifft, wird von meiner Seite als Vertreterin der Verwaltung keine Vorlage zur Verhängung eines Ordnungsgeldes erfolgen. Die Entscheidung, ob die Verhängung eines Ordnungsgeldes angestrebt wird, sollte der Stadtrat für sich entscheiden und gegebenenfalls in Form eines Antrages einbringen.

 

Ein möglicher Schadensersatzanspruch wird verwaltungsintern geprüft und verfolgt.