Betreff
Anfrage des Stadtratsmitgliedes Frau Rexrodt - Vergaberecht Lutherplatz
Vorlage
AF-0307/2017
Art
Anfrage

II. Fragestellung

 

Worin unterscheidet sich die Maßnahme „Lutherplatz“ von der Maßnahme „Wartburgallee“ bezugnehmend auf die unterschiedliche Anwendung/Auslegung des Vergaberechts/der Wettbewerbsbedingungen?

 

(Ich bitte um Erläuterung/Begründung der unterschiedlichen Anwendung/Auslegung des Vergaberechts auf der tatsächlichen Grundlage der entsprechenden Gesetze bei den Maßnahmen „Lutherplatz“ und „Wartburgallee“.)


ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

 

Ich gehe vorab klarstellend davon aus, dass sich die Frage in Bezug auf den Lutherplatz ausschließlich auf die Vergabe der Planungsleistungen und in Bezug auf die Wartburgallee auf die Vergabe der Bauleistungen bezieht. Insoweit war in den bisherigen Anfragen zum Lutherplatz die Vergabe der Bauleistungen selbst nie thematisiert worden.

 

Die Vergabe der Bauleistungen an der Wartburgallee erfolgte in einem vollständig dem Vergaberecht nach VOB/A unterworfenen Verfahren, welches insgesamt ordnungsgemäß und rügefrei durchgeführt wurde. Gleiches gilt i.ü. auch für die Vergabe der Bauleistungen am Lutherplatz.

 

Demgegenüber unterlag die Beschaffung der Planungsleistungen für den Lutherplatz NICHT dem formellen und materiellen Vergaberecht und durfte daher rechtmäßigerweise freihändig erfolgen.

 

Die Beschaffung von freiberuflichen Leistungen und somit auch von Planungsleistungen unterliegt ausschließlich im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte (aktuell: € 209.000,--) dem Vergaberecht – bis April 2016 nach Maßgabe der Vergabeordnung für freiberufliche Leistung (VOF), seit 18. April 2016 nach Maßgabe der Vergabeverordnung (VgV). Beide Regelungswerke gelten bzw. galten nur im Oberschwellenbereich (vgl. § 1 VgV i.V.m. § 106 GWB).

 

Im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte sind Regelungen über die Vergabe von freiberuflichen Leistungen (noch) nicht existent. Weder die VOB/A Erster Abschnitt noch die VOL/A sind auf freiberufliche Leistungen anwendbar (vgl. § 1 VOL/A).

 

Schließlich unterliegen freiberufliche Leistungen auch nicht dem Thüringer Vergabegesetz. In der Thüringer Verwaltungsvorschrift zur Vergabe öffentlicher Aufträge vom 16.September 2014 heißt es unter Ziffer 1.1.1. Abs. 7 wörtlich:

 

„Für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen (z.B. Architekten- und Ingenieurleistungen) findet aufgrund der Festlegungen des § 1 Abs. 2 ThürVgG (Beschränkung auf Anwendbarkeit der VOB und VOL) das Thüringer Vergabegesetz im Unterschwellenbereich keine Anwendung. Sie können daher grundsätzlich freihändig vergeben werden, wobei die haushaltsrechtlichen Vorgaben zu beachten sind (siehe insbesondere § 55 ThürLHO). Es wird jedoch empfohlen, in Anlehnung an die Bestimmungen der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einen Leistungswettbewerb mit mindestens drei Bewerbern durchzuführen. (…) (Hervorhebungen durch die Unterzeichnerin))…“

 

Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur stellen freiberufliche Leistungen gerade eine Ausnahme i.S.d. § 55 Abs. 1 2. HS Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO)) dar. Dies wird damit begründet, dass eine öffentliche Ausschreibung i.S.d. § 55 Abs. 1 1. HS LHO bei freiberuflichen Leistungen nicht sinnvoll bzw. sogar ausgeschlossen ist, da ein wesentliches Merkmal dieser Leistungen das Fehlen einer abschließenden und erschöpfenden Leistungsbeschreibung ist. Letztere ist aber wiederum Voraussetzung für eine öffentliche Ausschreibung nach dem Preis. Somit rechtfertigt die Natur des Geschäfts „freiberufliche Leistung“ gem. § 55 Abs. 1 2. HS LHO eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht.

 

Hinzu tritt, dass der Preis gerade bei Architekten- und Ingenieurleistungen kein taugliches Auswahlkriterium darstellt, da sich die dortige Honorierung nach der Honorarordnungen für Architekten und Ingenieure (HOAI) richtet, welche wiederum zwingendes öffentliches Preisrecht darstellt und gerade der Verhinderung eines Preiswettbewerbs dient.

 

Es verbleibt daher ausschließlich die in der Thüringer Verwaltungsvorschrift genannte (rechtstechnisch insoweit unverbindliche) Empfehlung, einen informellen Leistungswettbewerb durchzuführen. Bei der Entscheidung hierüber (welche außerhalb des materiellen Vergaberechts stattfindet) dürfen – wie vorliegend – auch Kriterien wie Sach- und Ortskenntnis, Integration mit angrenzenden Planungen etc. berücksichtigt werden.