Betreff
Anfrage des Stadtratsmitgliedes Herrn Schenke - Kindeswohlgefährdung
Vorlage
AF-0227/2011
Art
Anfrage

II. Fragestellung

 

1. Wann wird von Kindeswohlgefährdung gesprochen?

2. Wieviel Kinder und Jugendliche wurden im letzten Jahr durch das städtische Jugendamt in „Obhut“ gegeben?

3. Wie setzt sich hier die Altersstruktur zusammen?

4. Welche Maßnahmen werden bei Kindeswohlgefährdung durch die Stadt eingeleitet?

 


ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

 

Zu 1.

 

Das Kindeswohl ist ein zentraler Begriff und ein Entscheidungsmaßstab im Rahmen des Familienrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere unter dem Titel der “Elterlichen Sorge” und von Sorgerechtsmaßnahmen.

Das Kindeswohl ist in diesem Zusammenhang einerseits eine zentrale Rechtsnorm (oder Generalklausel), andererseits ein unbestimmter Begriff, der ausgehend vom Einzelfall stets konkretisiert werden muss.

Eine Definition liegt nicht vor: es wird “nirgends im rechtlichen Regelwerk gesagt, was unter Kindeswohl zu verstehen ist”, obwohl der Begriff als “Orientierungs- und Entscheidungsmaßstab familiengerichtlichen bzw. kindschaftsrechtlichen Handelns genutzt wird”. Er soll als “Instrument und Kriterium der Auslegung von z. B. Kindesinteressen dienen”, zugleich “fehlt es ihm selbst an schlüssiger Auslegung” (aus Kinderschutz-Zentrum Berlin -KINDESWOHLGEFÄHRDUNG

Erkennen und Helfen).

 

Eine Kindeswohlgefährdung ist gegeben, wenn Eltern die Abwendung eines Schadens in Bezug auf das körperliche, geistige und seelische Wohl für das Kind nicht selbst herbeiführen oder unterstützen (§ 1666 BGB – siehe Anlage).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) handelt es sich um Kindeswohlgefährdung, bei “… einer gegenwärtigen, in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt …” (BGH FamRZ 1956, 350).

 

Zu 2.

 

Fälle 2010: 22

Fälle 2011: 11

 

Zu 3.

 

Alter

Anzahl der in Obhut Genommenen

2010

bis 1. Geburtstag

1

ab 1. Geburtstag

1

ab 2. Geburtstag

2

ab 4. Geburtstag

0

ab 5. Geburtstag

1

ab 6. Geburtstag

0

ab 7. Geburtstag

2

ab 8. Geburtstag

1

ab 9. Geburtstag

2

ab 10. Geburtstag

0

ab 11. Geburtstag

1

ab 12. Geburtstag

1

ab 13. Geburtstag

4

ab 14. Geburtstag

2

ab 15. Geburtstag

1

ab 16. Geburtstag

2

ab 17. Geburtstag

1

 

 

2011 (bis 30.08.2011)

bis 5. Geburtstag

0

ab 5. Geburtstag

1

ab 6. Geburtstag

0

ab 7. Geburtstag

2

ab 8. Geburtstag

0

ab 9. Geburtstag

0

ab 10. Geburtstag

1

ab 11. Geburtstag

0

ab 12. Geburtstag

0

ab 13. Geburtstag

0

ab 14. Geburtstag

1

ab 15. Geburtstag

1

ab 16. Geburtstag

5

ab 17. Geburtstag

0

 

 

Zu 4.

 

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. § 1666a BGB (siehe Anlage) verlangt eine Vorgehensweise des Jugendamts, die vom Grad der Kindeswohlgefährdung abhängig ist.

In  jedem Einzelfall wird geprüft, welche Maßnahmen geeignet sind, um die Gefahr für das Kindeswohl wirkungsvoll abzuwenden.  Vorrang hat dabei immer das (Wieder-)herstellen eines verantwortungsbewussten Verhaltens der Eltern und damit einer funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit  beinhalten die einzuleitenden Maßnahmen neben der Beratung der Eltern alle Angebote erzieherischer Hilfen (u.a. Familienhilfe, Heimerziehung, Vollzeitpflege) an die Sorgeberechtigten bis hin zu notwendigen sorgerechtsbeschränkenden Anregungen beim Familiengericht, je nachdem, welche Maßnahme im Einzelfall zur Gefahrenabwehr für das Kind/ den Jugendlichen erforderlich ist (§ 8a Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe – SGB VIII

 – siehe Anlage).