Betreff
Planänderungserfordernis für Bebauungsplan Nr. 2 "Karlskuppe"
Vorlage
0871-BR/2012
Aktenzeichen
61.2.23.18/ B2/KKuppe
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

 

 

 

PLANÄNDERUNGSERFORDERNIS

für den bestehenden Bebauungsplan der Stadt Eisenach Nr. 2 “Karlskuppe”

 

 

 

 

INHALT:

 

A.      HISTORIE/Entstehungsgeschichte

B.     BESTEHENDE RECHTSGRUNDLAGE/Bebauungsplan

C.     GRÜNDE für eine erforderliche Planänderung

D.     WEITERE VORGEHENSWEISE

 

 

 

A.         HISTORIE/Entstehungsgeschichte

 

Die politische Wende im Jahr 1989 und die damit einhergehenden Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt, u. a. mit einer schnell steigenden Nachfrage an Bauplätzen für Einfamilienwohnhäuser und zeitgemäß ausgestattete Mehrfamilienhäuser/Eigentums-wohnungen, erforderten eine den neuen gesetzlichen Grundlagen entsprechende, nachfrageorientierte Lösung und Planung.

Zu Beginn der 1990-er Jahre entschied die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Eisenach aus diesem Grund, westlich der Kasseler Straße, angrenzend an das Kasernengelände und das Wohnviertel entlang der Ernst-Thälmann-Straße, ein Wohn- und Mischgebiet planerisch auszuweisen und infrastrukturell zu erschließen.

 

Von grundlegender Bedeutung war die städtische Entscheidung, die Bauleitplanung, die komplette Erschließung, den Grundstücksverkehr und die Grundstücksumlegung vertraglich einer Treuhänderin, der Gesellschaft für Kommunalbetreuung  mbH, Bad Homburg, zu übertragen. Nach abgeschlossener Bebauungsplanung wurde die verkehrstechnische und versorgungstechnische Erschließung fertig gestellt, die Grün- und Angerflächen wurden belebender Bestandteil des urbanen Gefüges. Ein Großteil der Baugrundstücke (Grundstücke für den Wohnungsbau sowie die gewerblich genutzten Grundstücke im Bereich westlich der Kasseler Straße) wurden teils durch die Treuhänderin und teils durch private Grundstückseigentümer veräußert.

 

In Anerkennung der Leistungen bei der Planung des Wohngebietes und der Baulandbereitstellung erhielt die Stadt Eisenach aus den Händen der damaligen Bundesbauministerin 1993 den Preis für die innovative Baulandgewinnung im Rahmen des Wettbewerbes „Aktion: Mehr Bauland” (gestiftet von der Deutschen Bank Bauspar AG). Am bundesweiten Wettbewerb beteiligten sich mehr als 250 Städte und Gemeinden aus allen Bundesländern.

 

Im Zeitraum von 1994 bis 2002 entstand eine lebendige Wohnsiedlung mit vielfältigen Versorgungseinrichtungen am nordwestlichen Rand Eisenachs. Danach verlangsamte sich das städtebauliche Wachstum im Wohngebiet „Karlskuppe”.

 

Im Jahr 2002 wurde der bis dahin geltende Treuhändervertrag zwischen der Stadt Eisenach und der Gesellschaft für Kommunalbetreuung mbH, Bad Homburg, durch Beschluss des Stadtrates am 11.12.2002 aufgehoben. Damit verbunden war die vertraglich geregelte Übertragung der bis dahin unveräußerten städtischen Grundstücke an die Städtische Wohnungsgesellschaft.

 

Optisch in Erscheinung treten gegenwärtig die brach gefallenen Grundstücksflächen entlang der Straße „An der Karlskuppe”, im Nordosten und Westen des Wohngebietes. Für den Betrachter entsteht das Bild einer „unvollständigen” Siedlung. Weiterhin ist die stetige Nutzungsaufgabe eines Teils der gewerblich genutzten Flächen entlang der “Kasseler Straße” augenscheinlich.

Ein Signal, dass städtebaulich Handlungsbedarf besteht!

 

 

B.        BESTEHENDE RECHTSGRUNDLAGE/Bebauungsplan

 

Die ursprüngliche Satzung zum Bebauungsplan erlangte vor 18 Jahren, am 20.01.1994, Rechtskraft. In Folge wurde die Satzung zweimal in Details geändert. Die bestehende Satzung in der Form der 2. Änderung trat am 22.10.1999 in Kraft und bildet seit nunmehr 13 Jahren die Grundlage für die fast zum Stillstand gekommene Bautätigkeit.

 

Ausgehend von den rahmenbildenden Faktoren in den 1990er Jahren - zum einen der Lage des Gebietes zwischen zwei hochfrequentierten Verkehrstrassen (der bis 2010 bestehenden Autobahn und der Kasseler Straße als Bundesstraße) und zum anderen den nachfrageorientierten Nutzungsausweisungen - trifft der Bebauungsplan inhaltlich folgende Festsetzungen:

-          Abgrenzung der (allgemeinen und reinen) Wohngebietsflächen zu den außerhalb des Geltungsbereiches befindlichen Verkehrstrassen durch Mischgebietsausweisungen;

-          Ausweisung einer Fläche für den Gemeinbedarf und einer Sondergebietsfläche (Hotel) als Ergänzungsfunktionen.

Die Satzung bildet die Grundlage für die Bebauungs- und somit Verwertungsmöglichkeiten der im Geltungsbereich befindlichen Grundstücke und für die Erteilung erforderlicher Baugenehmigungen.

 

 

C         RÜNDE für eine erforderliche Planänderung

 

C.1      Städtebauliche Gründe/ Grundlage für die gesicherte zukünftige      Gebietsentwicklung

 

Die Stadt Eisenach ist nach dem Baugesetzbuch verpflichtet, eine geordnete städtebauliche Entwicklung herbeizuführen, nachhaltig zu planen und bestehende Plansatzungen bei Bedarf anzupassen. D. h. bestehende Plangrundlagen sind hinsichtlich ihrer städtebaulichen Entwicklungsvorgaben (Gebietsentwicklung/Nutzungsausweisungen) ggf. zu aktualisieren, wenn Anzeichen für ungewollte Entwicklungstendenzen erkennbar werden.

 

Es ist offensichtlich - und die Annahme wird durch die unbebauten Flächen gestützt - dass es in den Jahren seit Bestehen der Satzung keinen tatsächlichen Bedarf an Gemeinbedarfseinrichtungen (Gemeinbedarfsfläche) oder Hotels (Sondergebiet) im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gibt. Ebenso mangelt es an Nachfrage an mehrgeschossigem Wohnungsbau mit gewerblicher Unterlagerung oder dem Bedarf an Gewerbeansiedlungen (Mischgebietsflächen). Die Gründe bestehen zum einen in der rückläufigen Einwohner- und demografischen Entwicklung, somit verminderten Einwohnerzahlen (mehrgeschossiger Wohnungsbau). Zum anderen wurde der Markt für Hotelneubauten, Gemeinbedarfseinrichtungen und mischgebietsverträgliche Gewerbebetriebe durch Faktoren wie veränderte Finanzierungsanreize, Flächenverfügbarkeit an anderer Stelle und Möglichkeiten der Bestandsnachnutzung reguliert. Vielmehr besteht heute ein ungebremster Bedarf an Wohnbauflächen für klassische Wohnformen (z. B. Einfamilienhäuser).

Es bleibt festzustellen, dass das Baugebiet Karlskuppe durchaus über ausreichend Flächenpotential verfügt, um dieser Nachfrage gerecht zu werden.

 

In den letzten Jahren wurden zur Realisierung von diesbezüglichen Bauvorhaben zunehmend Abweichungen von der Satzung beantragt und genehmigt, auf die mit einer Satzungsänderung planvoll eingegangen werden sollte. Die Nutzungsausweisungen für 3- bis 4- geschossige Wohn- und Gewerbenutzungen, für Gemeinbedarfs- und Sondergebietsflächen gestatten aber keine derartige Nutzung. Eine Planänderung ist angeraten. Im Zuge einer Planänderung sind die getroffenen Festsetzungen der Satzung insgesamt hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit und ihrem Regelungsgehalt zu prüfen, ggf. abzuändern.

 

In die Satzungsänderung inhaltlich einzubeziehen sind ebenfalls die Flächen oberhalb der Kasseler Straße (Mischgebiet 1), die ausschließlich mit gewerblich genutzten Bauten überbaut wurden und somit gegenwärtig als der gewerblich genutzte Teil des gesamten Mischgebietes (1/ 2/ 3) anzusehen sind. Vor dem Hintergrund der unter C.3) dargestellten Thematik bedarf diese Gebietsausweisung einer Überplanung, um eine gezielte städtebauliche Entwicklung bewirken zu können und eine Fortentwicklung eines klassischen Wohngebietes zu befördern.

 

 

C.2      Problematik Erschließung: Spezifizierung der Festsetzung zum Umgang mit             Oberflächenwasser/Regenwasser

 

Im Entstehungsprozess des Wohngebietes - ausgehend von der Fertigstellung der versorgungs- und verkehrstechnischen Erschließung, der Veräußerung als vollständig erschlossen geltender Grundstücke, der eigentlichen Bebauung und realen Nutzung - kristallisierte sich ein offensichtliches Problem heraus, dessen Lösung im Zuge der Satzungsänderung vorzusehen ist:

Bei auftretendem Starkregen sind das vorhandene Regen- und Schmutzwasser- Entsorgungssystem (Trennsystem) sowie das oberirdisch geführte Muldensystem nicht ausreichend leistungsfähig.

Der Bebauungsplan trifft im Planteil B (Nr. 12) zum Umgang mit Niederschlagswasser die Textfestsetzung einer grundstücksbezogenen dezentralen Regenwasserrückhaltung oder Versickerung auf dem Grundstück. Dies ist im Rahmen der Satzungsänderung zu prüfen, ggf. zu ersetzen, da der geologische Schichtenaufbau am Standort den Möglichkeiten solcher dezentraler Lösungen Grenzen setzt. Voraussetzung für eine endgültige Klärung der Problematik, sowohl planungsrechtlich als auch im Hinblick auf die bauliche Umsetzung, ist das gemeinsame Bestreben um eine zentrale Lösung für die Regenrückhaltung im Zusammenwirken zwischen Trink- und Abwasserverband und der Stadt Eisenach. Hierzu benötigt der Trink- und Abwasserverband aus nachvollziehbaren Gründen die nunmehr angeregte aktualisierte Bebauungsplanung, um die Dimensionierung der Regenwasserrückhaltung konkret bestimmen und berechnen zu können. Insoweit bedingen sich die Bebauungsplanung und die Regenrückhaltung zumindest faktisch gegenseitig.

 

 

C.3      Problematik: Steuerung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten

 

Der Bebauungsplan enthält keine spezifischen Festsetzungen zur Zulässigkeit von Vergnügungsstätten, d.h. maßgeblich sind die gesetzlichen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung (BauNVO). In Betrachtung der realen Bebauung und Nutzung im Mischgebiet 1 (oberhalb der Kasseler Straße) ist zu prüfen, ob vor dem Hintergrund einer vermehrten Nutzungsaufgabe gewerblich genutzter Immobilien der gleichzeitig erkennbaren Entwicklungstendenz planerisch gegengesteuert, also einer zunehmenden Umnutzung von Leerstandsimmobilien zu Vergnügungsstätten entgegengewirkt werden soll.

 

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass nach Maßgabe der §§ 6 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO im gewerblich geprägten Teil eines Mischgebiets nicht-kerngebietstypische Vergnügungsstätten sogar allgemein zulässig sind. “Kerngebietstypisch” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass gfl. eine Zulässigkeit aufgrund der Zweckbestimmung oder des Umfangs einer Vergnügungsstätte nur im Kerngebiet anzunehmen ist. Diese Definition wird jedoch von der Rechtsprechung weitestgehend aufgeweicht, da insbesondere beim Umfang (d.h. der Größe) einer Vergnügungsstätte – dogmatisch korrekt – auf den formalen Vorhabenbegriff des Gesetzes abgestellt wird. Dies führt dazu, dass z.B. 5 nebeneinanderliegende Spielotheken von je ca. 100 qm (nicht kerngebietstypisch), soweit sie über eine bauliche Eigenständigkeit verfügen (getrennte Eingänge; getrennte Kassen; getrennte Sanitärbereiche), nicht als eine 500 qm große, kerngebietstypische Vergnügungsstätte angesehen werden können, sondern vielmehr jeweils einzeln im Mischgebiet zulässig und genehmigungsfähig sind.

 

Tatsächlich mussten daher genau auf Grundlage des Vorgesagten an der Karlskuppe bereits 4 Spielotheken (in einem Gebäude) genehmigt werden. Es lagen noch weitere Bauanträge für Spielotheken vor. Auch die Nutzung als Erotikshop mit Videokabinen wurde bereits beantragt (und abgelehnt). Ein Widerspruchsverfahren ist anhängig.

 

Aufgrund der bereits angesprochenen vermehrten Nutzungsaufgabe im Bereich „Handel” ist mit Blick auf die insoweit sehr günstige Verkehrsanbindung der Karlskuppe in Verbindung mit den schon vorhandenen Nutzungen (Spielotheken; Fast-food-Restaurant; Tankstelle) in naher Zukunft mit einer Intensivierung der beschriebenen Tendenz zur Nutzungsart „Vergnügungsstätte” zu rechnen. Die Erfahrung in einer Vielzahl von Kommunen zeigt, dass hiermit fast zwingend ein sog. „trading-down-Effekt” verbunden ist. Dies bedeutet, dass eine vermehrte Nutzung eines Gebietes für Vergnügungsstätten das Gebiet gleichzeitig immer unattraktiver für andere Nutzungsarten macht und hierdurch wiederum über entsprechende Leerstände die Tendenz zur reinen Vergnügungsstätten-Agglomeration sogar beschleunigt wird.

 

Aufgrund der o.g. Rechtslage nach der BauNVO kann die vorbeschriebene Problematik ausschließlich durch entsprechende bauplanerische Festlegungen verhindert, zumindest jedoch gesteuert und eingedämmt werden. Hierbei ist ein vollständiges Verbot von Vergnügungsstätten denkbar, aber auch eine Beschränkung dieser Art der Nutzung auf nicht jugendgefährdende Vergnügungsstätten. Hier könnte der Zweite Abschnitt des Jugendschutzgesetzes als Maßstab in Bezug genommen werden. 

 

 

D.        WEITERE VORGEHENSWEISE

 

Im Resümee des Sachberichtes steht die Empfehlung der Verwaltung zur Änderung der Plansatzung durch ein Bebauungsplan- Änderungsverfahren. Die finanziellen Mittel wurden im laufenden Haushaltsjahr angemeldet. Im Zusammenhang mit der vorläufigen Haushaltsführung für das Haushaltsjahr 2012 wird seitens der Fachverwaltung eingeschätzt, dass das Planänderungserfordernis eine Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung gemäß § 61 Abs. 1 ThürKO (Thüringer Kommunalordnung) darstellt. Nach dem Baugesetzbuch ist die Stadt verpflichtet, von ihr bereits erlassene Satzungen aktuell zu halten. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Bauleitplanung, als hoheitliche Aufgabe der Stadt wesentliche Bedeutung für den Bodenwert und die grundsätzliche Nutzung eines Grundstücks hat, somit als Schranken setzende Norm i. S. d. Art. 14 Abs.1 Satz 2 GG ggf. auch Ansprüche auf erforderliche Entschädigungen/ Schadensersatz hervorrufen kann.

 

Durch diese Berichtsvorlage wird keine Verpflichtung zum Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung begründet. Sie stellt keinen verfahrensleitenden Beschluss dar. Der Aufstellungsbeschluss zur Einleitung des Planänderungsverfahrens sollte jedoch – soweit möglich - in diesem Jahr gefasst und die Beauftragung eines Planungsbüros vorgenommen werden.


Anlagenverzeichnis

 

Anlagen

 

Anlage 1: Auszug aus Bebauungsplan Nr. 2/ Satzung i. d. F. d. 2. Änderung

Anlage 2: Darstellung unbebaute Flächen