Betreff
Jahresbericht 2011 der Behindertenbeauftragten der Stadt Eisenach
Vorlage
0889-BR/2012
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

 

Sachverhalt:

 

In diesem Jahr wurden ca. 200 ratsuchende Schwerbehinderte in der der Sprechstunde angehört und beraten. Die Inhalte der Beratung haben sich verändert, in Bezug auf Anfragen zu sofortigen Hilfen, betreffs barrierefreier Wohnraumsuche oder Hilfeleistungen für einsame Menschen ohne Angehörige. Das Problem des behindertengerechten Wohnraumes muss unbedingt Beachtung finden. Es fehlt ebenso an Möglichkeiten für Spontanaufnahmen für Kurzzeitpflege in Notfällen. Die Unsicherheit, dass in schwierigen Situationen evtl. niemand zur Seite steht, wird immer wieder aufs Neue in den Gesprächen als großes Problem dargestellt: „Was, wenn mir etwas zustößt oder ich Unterstützung brauche?“ Hier gibt man/gebe ich oft einen großen Vertrauensvorschuss – oftmals auch ohne gleich eine Lösung für das Problem zu haben.

 

Dank des gut funktionierenden Netzwerkes in der Stadt sind schnelle und unbürokratische Hilfen durch die Ämter oder Vereine und Verbände möglich, außer bei Fragen der schnellen Unterbringung. Beratungen zu Schwerbehinderungen und Arbeitsstellen bilden einen weiteren wesentlichen Schwerpunkt. Die Unsicherheit nach langer Krankheit wieder in den Arbeitsprozess zu treten und vielleicht auf Hilfsmittel angewiesen zu sein, ist sehr groß. Durch die professionelle Unterstützung des Integrationsfachdienstes, der durch das Land in Eisenach installiert wurde, ist es in den meisten Fällen möglich, dass für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gute Lösungen gefunden werden, die oftmals auch auf eine Förderung hinauslaufen.

 

Neben der Sprechstundentätigkeit war ich zur Thematik behindertengerechte Bushaltestellen anfangs in die Planung des ZOB eingebunden. Zur neuen Planungsphase wurde ich nicht mehr hinzugezogen. Zu Planungen öffentlicher Baumaßnahmen, wie z. B Wartbugschule und die Berufsschule im Palmental wurde ich leider nicht zur Stellungnahme hinzugezogen. Eine wesentliche Aufgabe der Behindertenbeauftragten ist aber bei der Bauvoranfrage Stellung zu beziehen, dies wurde bereits mit der Stadt geklärt.

 

Die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen ist ein weiteres Thema, an dem ich auf Landesebene mitgewirkt habe, zeitweise in einer Arbeitsgruppe. Das Ziel einen städtischen Aktionsplan zu erarbeiten, steht noch als Vorhaben in der Planung für 2012.

 

Mit dem Inklusionsbegriff, der seit 2009 mit der Behindertenrechtskommission der Vereinten Nationen in aller Munde ist, geht es nicht mehr nur um die reine Teilnahme am öffentlichen/gesellschaftlichen Leben (Integration), sonder auch um die Teilhabe, dass heißt die volle Umsetzung aller Bürgerrechte.

 

Die Anhörungen zum Entwurf des Thüringer Maßnahmeplanes sind noch nicht beendet, so, dass die Umsetzung noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Ein großes Thema ist die Bildung für Menschen mit Behinderungen, hier sind Schulen in freier Trägerschaft - besonders das Förderzentrum für Menschen mit geistiger Behinderung gegenüber den staatlichen Schulen finanziell deutlich schlechter gestellt. Positiv ist, dass mit dem neuen Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft Kooperationen und somit die Zusammenarbeit mit staatlichen Schulen nun gesetzlich geregelt ist und gegenseitige Projekte die Schüler bereichern. Trotz aller Inklusion wird es nie gelingen allen behinderten Menschen den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem zu verschaffen, dazu sind allein schon die baulichen Rahmenbedingungen nicht gegeben, von der fachlichen Qualifikation des Lehrpersonals im Bereich Sonderpädagogik ganz zu schweigen.

 

Wenn wir von Behinderungen reden, müssen wir auch an alle Sinnesbehinderungen denken. Blinde, Gehörlose und taubleidende Menschen, d. h. alle Kommunikationsmittel- und formen so zu gestalten, dass sie dem inklusiven Charakter Rechnung tragen.

So werden Förder- und Spezialschulen im Einzelfall immer wichtiger sein, um entsprechend der Bedarfe auch „Schutzräume“ sicher zu stellen. Nach §71 Abs.1 SGBIX sind Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mtl. Mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 SGB IX dazu verpflichtet, auf mindestens 5% dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Arbeitgeber, die dieser Forderung nicht nachkommen, müssen eine Ausgleichabgabe zahlen. Mit einer Beschäftigungsquote von 4,4% kommen die Thüringer Arbeitgeber der Beschäftigungspflicht noch nicht ausreichend nach. Neben der Förderung der frühkindlichen Entwicklung bis hin zur Ausbildung und Arbeit stellt die Barrierefreiheit in allen Bereihen des Lebens wohl die größte Herausforderung dar. Woran muss zukünftig gearbeitet werden, bei allem Bewusstsein, dass dies ein sehr langer Prozess werden wird?

 

Hier nur einige Beispiele, die für uns Menschen ohne Behinderungen so selbstverständlich sind, dass wir an diese sogenannten „Kleinigkeiten“ gar nicht denken würden.

·         Wie erfahren Menschen mit Behinderungen Dinge über Veranstaltungen oder Wegweiser oder politische Themen informiert?

·         über Plakate, Flyer, Zeitung, Internet etc.

·         Wie erreichen Menschen mit Behinderung die Veranstaltungsorte? Sind diese frei zugänglich, z. B. Toiletten etc..

·         Erhalten Menschen mit Behinderung die erforderlichen Hinweise vor Ort, wenn sie z.B. an Tagungen oder Kongressen teilnehmen?

Diese Fragen sind nur eine kleine Auswahl um eine Gespür dafür zu bekommen, was Barrierefreiheit bedeutet. Meine Anfrage an den Intendanten des Theaters, ob die Möglichkeit bestünde, in einer Reihe eine Induktionsschleife für schwerhörige Menschen zu installieren, wurde schlicht mit fehlenden finanziellen Ressourcen abgetan. Dass viele ältere Menschen, die schwer hören oder aber auch schon von Geburt an schwerhörigen Menschen gern ins Theater gehen und einen konstanten Besucherstamm bilden, wird hierbei außer Acht gelassen. Ein Antwortschreiben mit der Aussicht auf Fördermittel oder Spenden hätte dem Theater besser zu Gesicht gestanden. Aufgrund der Vielfalt der Behinderungen ist auch vielfältig das Thema Inklusion zu bearbeiten. Neben der Beratungstätigkeit in den Sprechstunden, die immer den Einzelfall bearbeitet, ist es erklärtes Ziel die guten Ansätze der Stadt in Bezug auf Barrierefreiheit weiter gemeinsam zu verfolgen. Eisenach verfügt über ein breites Netz von Vereinen und Verbänden zu den verschiedensten Krankheitsbildern. Diese Verbände tauschen sich regelmäßig mit der Behindertenbeauftragten aus. Es werden Informationen ausgetauscht und gemeinsame Veranstaltungen vorbereitet. Die Teilnahme an dem Aktionstag „Gib niemals auf“ auf dem Marktplatz ist schon zu einer festen Größe geworden. Wie überall macht auch den Vereinen und Verbänden der Nachwuchs sorgen, viele junge Menschen finden noch nicht den Weg in eine Selbsthilfegruppe, da sie noch gut selbst organisiert werden. Wir müssen uns bemühen, dafür Sorge zu tragen, dass wir das geschaffene Netzwerk nicht an den Altersstrukturen scheitern lassen.

 

Alles in allem ist die Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern offen und transparent. Die Betreuung der Hilfesuchenden ist umfassend und professionell abgesichert und gut ausgebaut. Hier gilt mein ganz besonderer Dank allen Sachgebieten der Abteilungen des Sozialamtes. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass nicht alle Anfragen zur Schaffung barrierefreier Zugänge oder Installationen mit einer lapidaren Begründung mangels finanzieller Ressourcen abgetan werden. Sondern, dass aus den verschiedenen Ämtern heraus, der Auftrag zur Prüfung von Fördermitteln oder andere Ideen erteilt werden. Das vermittelt Achtung, Menschenwürde und zeigt dass wir zuhören und die Probleme ernst nehmen.

 

Danke für die Aufmerksamkeit!

 

 

 

Petra Braun

Behindertenbeauftragte der

Stadt Eisenach