Betreff
Einwohneranfrage - Einwohnerversammlung Tor zur Stadt
Vorlage
EAF-0054/2016
Art
Einwohneranfrage

II. Fragestellung

 

1.      Auf welcher Grundlage/nach welchen Erkenntnissen erklärte die Oberbürgermeisterin auf der Einwohnerversammlung vom 21.01.2016, dass der Stadt Eisenach eine Rückzahlung von 13 Millionen Euro droht?

2.      Welche Fördermittel müsste die Stadt an wen und auf welcher Grundlage zurückzahlen?

3.      Weshalb erhöhte sich die „drohende Rückzahlung" um 5 Millionen (von 8 auf 13 Millionen Euro)?

4.      Wie begründet die Oberbürgermeisterin ihre unterschiedliche Einschätzung zum Inhalt des Gutachtens?

5.      Wurde bis zum heutigen Tag der Nachweis über alle noch offenen und notwendigen im Freistellungsbescheid aufgeführten Sanierungen und die dazu aufgewendeten Kosten gegenüber der Stadt und dem zuständigen Ministerium geführt?


Ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

 

Zu 1. bis 3.

 

Es ist zu unterscheiden zwischen dem juristischen Kurzgutachten zum damals in Rede stehenden Öffentlich-Rechtlichen Vertrag (ÖRV) aus dem Jahr 2013 der Rechtsanwälte Halm & Preßer und dem umfangreichen Rechtsgutachten zu den fiskalischen Risiken bei einem Scheitern des Projekts „Tor zur Stadt“ von Anfang 2014 der Rechtsanwälte Redeker, Sellner, Dahs, beide zu finden auf der Website der Stadt Eisenach unter „Tor zur Stadt“ (Pressemitteilungen 2013 bzw. 2014, letztgenanntes Gutachten wegen seines Umfangs in einer Kurzfassung).

 

Das Kurzgutachten ÖRV besagt nur, dass bei Nichtabschluss des ÖRV keine darüber hinausgehenden Schadensersatzansprüche gegen die Stadt möglich sind.

 

Aus dem Gutachten der Rechtsanwälte Redeker pp. ergibt sich jedoch, dass bei einem Widerruf des Freistellungsbescheides und Rückforderung der Fördermittel durch den Freistaat Thüringen gegenüber dem ursprünglich Freigestellten eine Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages zwischen diesem und der Stadt Eisenach möglich wird, welche wiederum einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 347 Abs. 2 BGB in Höhe von bis zu 8,5 Mio. EURO gegen die Stadt Eisenach nach sich ziehen kann. Darüber hinaus würde bei einer Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags die Stadt Eisenach auch wieder in die umweltrechtliche Verantwortlichkeit und Haftung zurückkehren (Restentkontamination (Stichwort: Steg „Müllerstraße“); Grundwassermonitoring; Schließung des offenen Grundwasserleiters; gfl. zukünftige Grundwassersanierung).

 

Auch das Gutachten der RAe Redeker pp. schließt zivilrechtliche Schadensersatzansprüche weitestgehend aus (juristisch sind Aufwendungsersatzansprüche keine Schadens-ersatzansprüche und insoweit auch verschuldensunabhängig).

 

Zur möglichen Schadenshöhe (welche grundsätzlich von einem absoluten „worst case“ ausgehen muss):

 

Gem. Rechtsgutachten kann der Ersatz notwendiger Aufwendungen auf das Grundstück im Höchstfalle sämtliche vom Freigestellten an das Land zurückzuzahlenden Fördermittel sowie dessen Eigenanteil umfassen, mithin ca. 8,5 Mio. EURO.

 

Bereits absehbar und beziffert können gem. Rechtsgutachten die Kosten der Restentkontamination sowie das Grundwassermonitoring mit zusammen ca. 1,64 Mio. EURO hinzutreten.

 

Nach Wegfall der Freistellung und Wiedereintritt der Stadt in die Stellung als Grundstückseigentümer verbliebe auch das mittelfristige, vom Thüringer Umweltministerium als auch von allen bisherigen Investoren immer wieder thematisierte Risiko einer notwendig werdenden Grundwassersanierung abschließend bei der Stadt. Ob eine solche Grundwassersanierung notwendig ist, wird erst das mehrjährige Grundwassermonitoring zeigen, auszuschließen ist es jedoch nicht. Technologisch ist eine vollständige (aber auch eine partielle) Grundwassersanierung sehr aufwendig und kostenseitig immer im 7-stelligen Bereich einzuschätzen.

 

Insoweit entspricht eine Risikoeinschätzung im unteren zweistelligen Millionenbereich in jeder Hinsicht den Tatsachen.

 

Zu 4.

 

Zum Zeitpunkt der Einwohnerversammlung im Bürgerhaus im Jahre 2013 lag das Rechtsgutachten der RAe. Redeker pp. nicht vor. Insoweit konnte die Oberbürgermeisterin damals ausschließlich auf das Kurzgutachten zum ÖRV und die dortige Verneinung von Schadensersatzansprüchen abstellen.

 

Ab Vorlage des zweiten Rechtsgutachtens wurde von der Oberbürgermeisterin immer und grundsätzlich das Risiko des mit 8,5 Mio. EURO (maximal) zu beziffernden Aufwendungsersatzrisikos, aber auch die (noch nicht abschließend zu beziffernde) umweltrechtliche Haftung benannt. In der öffentlichen Diskussion wird leider das umweltrechtliche Haftungsrisiko häufig ausgeblendet und ausschließlich über „zurückzuzahlende Fördermittel“ gesprochen.

 

Zu 5.

 

Das Freistellungsverfahren wird zwischen dem Land Thüringen und dem jeweils Freigestellten geführt. Die Stadt Eisenach ist hier im Rahmen des eigenen Wirkungskreises nicht verfahrensbeteiligt und somit sind Auskünfte hierzu nicht möglich.

 

Sanierungsmaßnahmen werden durch den Freistellungsbescheid des Landes Thüringen nicht geregelt.

 

Die bereits durchgeführten Sanierungsleistungen wurden mit den beiden Teilabschlussdokumentationen vom 07.12.2012 (DMT, Leipzig) und vom 12.12.2012 (Terra Consulting GmbH, Alsdorf) nachgewiesen und von der zuständigen Bodenschutzbehörde (Stadt Eisenach) ordnungsrechtlich abgenommen (Bescheide vom 20.12.2012 und 11.04.2013).

 

Inhaltliche bzw. weitere Auskünfte hierzu können nicht gegeben werden, da es sich um eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises handelt.