II. Fragestellung
Zu Sachverhalt 1:
1. Wie ist es der Oberbürgermeisterin möglich, sich auf einen Stadtratsbeschluss zu beziehen, dessen Wortlaut ihr nicht vorliegt und ihr auch persönlich nicht bekannt sein kann, da die Oberbürgermeisterin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht Mitglied des Stadtrates war?
2. Wie lautet der konkrete Wortlaut des von der Oberbürgermeisterin erwähnten Stadtratsbeschlusses von 1996?
Zu Sachverhalt 2:
1. Wie begründet die Oberbürgermeisterin ihre Ansicht, dass die heutige Bebauung dieser Empfehlung vor 21 Jahren entspricht?
Zu Sachverhalt 3:
1. Ist es demzufolge richtig, dass für die Neugestaltung/den Umbau des Platzes beim zuständigen Bauordnungsamt kein Bauantrag gestellt wurde und somit auch nicht genehmigt werden musste?
Zu Sachverhalt 4:
1. Welche der beiden gegebenen Antworten auf die gleiche Frage ist richtig?
2. In welcher Satzung wurde die Zielstellung beschlossen, den Lutherplatz so, wie geschehen, zu gestalten?
3. Wie lautet der Beschlusstext in der von Ihnen angeführten Satzung?
4. Sind demzufolge Beschlussfassungen von Bauvorhaben, die bereits in städtischen Satzungen beschlossen wurden, nicht erforderlich?
Ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:
Zu Sachverhalt 1:
Es handelt sich um einen Beschluss vom 19.11.1996, mit dem der Stadtrat
mehrheitlich dem Bürgerwillen entsprach, auf die beabsichtigte Bebauung des
Lutherplatzes zu verzichten. Der Tenor dieses Beschlusses ist der
Oberbürgermeisterin ebenso bekannt wie der Mehrheit der engagierten
Bürgerschaft, hierzu ist die genaue
Kenntnis des Wortlauts nicht erforderlich. Da der Beschluss mittlerweile
20 Jahre in der Vergangenheit liegt und sich die Verwaltung aktuellen Aufgaben
widmet, wurden diese (nicht digitalen) Unterlagen bereits archiviert und stehen
nicht ohne erheblichen Rechercheaufwand zur Verfügung.
Da das Bauvorhaben abgeschlossen ist, wird auf den Aufwand einer
Archivsuche verzichtet. Im Ergebnis des Beschlusses von 1996 wurden - wie bereits erläutert - die Teile des
Platzes von der Stadt Eisenach erworben, auf denen 1945 durch Bombeneinwirkung
Teile des höfichen Bauensembles verloren gegangen waren. Dem Stadtrat wurde in
der Folge am 14.03.1997 ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan
vorgelegt, mit dem klargestellt werden sollte, dass eine Bebauung des Platzes
nicht erfolgen darf. Da für einen Bauverhinderungsplan keine
bauplanungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage bestand, wurde das Planverfahren
mit Beschluss des Stadtrates vom 14.10.2005 endgültig eingestellt.
Zu Sachverhalt 2:
Die Aussagen von 1995 bezogen sich auf die historische, asymmetrische Platzform, die heute den Platzbereich unter den Bäumen und den eigentlichen Lutherplatz darstellt. Hier wurde an dem damaligen „Gestaltungsgrundsatz“, wie ihn der Fragesteller benannt hat, festgehalten. Die Bäume sind mittlerweile stattlich gewachsen und die Wurzeln haben sich weit ausgebreitet. Der betreffende Platzbereich ist wie geplant außerordentlich sparsam möbliert (5 Sitzsteine und ein Tiergartengeländer), sogar der Wasserspender wurde in den von Stelen umsäumten Hofbereich „verlagert“.
Das Grundstück des ehem. Seitenflügels des Residenzhauses war 1995 noch ein Privatgrundstück (Baulücke), das ursprünglich wieder hätte bebaut werden können. Um dies heute im Stadtbild zu verdeutlichen, dass bis zum 2. Weltkrieg an dieser Stelle einmal ein historisch wertvolles Gebäude stand und der historische Platz eine andere Begrenzung hatte, wurde als Gestaltungselement zur räumlichen Verbildlichung die Pergola als Ergänzung zum Residenzhaus gewählt und mit einem Schriftzug auf den ehemaligen Grundmauern ergänzt. Da die Wasserschale aufgrund der Baumwurzeln nicht mehr auf der ursprünglichen kleinen Platzfläche zu integrieren war, wurde diese – wie erwähnt - in anderer Form auf dem ehemaligen Innenhofbereich untergebracht.
Zu Sachverhalt 3:
Es waren kein Bauantrag und keine Baugenehmigung erforderlich.
Zu Sachverhalt 4:
Wie in der vormaligen Beantwortung richtig formuliert, war nicht die Gestaltung des Platzes zu beschließen, vielmehr folgt die Gestaltung des Platzes den Grundzügen der für den betreffenden Stadtraum geltenden städtischen Satzungen, d. h. dass die Gestaltungsgrundsätze für die Freiraumgestaltung mit den Intentionen und Inhalten der Satzungen konform gehen. Eine Beschlussfassung über eine Abweichung von einer Satzung war insoweit nicht erforderlich. Beispielsweise hätte der Fachausschuss SUS gemäß Punkt 1b der „Richtlinie über die Vorlage von planungsrechtlichen Stellungnahmen der Verwaltung im SUS“ über eine Abweichung von der zutreffenden Erhaltungssatzung entscheiden müssen.
Folgende Grundlagen waren im Zusammenhang mit dem Lutherplatz relevant:
Sanierungssatzung „Innenstadt“
Mit der Sanierungssatzung
„Innenstadt“ vom 07.09.1994, bekannt gemacht und in Kraft getreten am
16.09.1994, wurde der Sanierungsrahmenplan vom Oktober 1992 in Selbstbindung
des Stadtrates mitbeschlossen. Der Sanierungsrahmenplan bestimmt für den
Lutherplatz in seiner historischen Umgrenzung eine „Stadträumliche Kante Typ 1“
(geschlossener Blockrand – Baulinie). Die Sanierungssatzung ist somit
eingehalten. Bebauungsplan Nr. 35
„Lutherplatz“
Mit dem Beschluss aus 1996, den Lutherplatz nicht zu bebauen (Versagung einer Bauvoranfrage zum Wiederaufbau des Südflügels des Residenzensembles), war die Wiederherstellung der historischen stadträumlichen Kante somit mit anderen raumbildenden Mitteln zu bewerkstelligen. Der Beschluss des Stadtrates vom 14.03.1997, für den Lutherplatz einen Bauverhinderungsplan aufzustellen, wurde vom Stadtrat am 14.10.2005 mangels Ermächtigungsgrundlage und nach erfolgtem Grundstückskauf durch die Stadt wieder aufgehoben. Daher kam keine Plansatzung zu Stande, welche Maßstäbe an die Gestaltung des Platzes anlegt.
Erhaltungssatzung „Innenstadt“ – städtebaulicher Denkmalschutz
Die Herstellung der Pergola war
nach den Zielen des städtebaulichen Denkmalschutzes gerechtfertigt. Die
Erhaltungssatzung „Innenstadt“ vom 25.06.1992/ 05.04.2001 zielt auf den Erhalt
des historischen Parzellenbildes ab: „Die Bebauung der Innenstadt, auf
mittelalterlichem Stadtgrundriss und im Wesentlichen vom Verlauf der ehemaligen
Stadtbefestigung umgrenzt, lässt in weiten Teilen noch das historische
Parzellenbild und die Vielfältigkeit der Baukultur der vergangenen Jahrhunderte
erkennen...Die Bewahrung der vorhandenen städtebaulichen Qualität ist
vorrangiges Ziel dieser Satzung...“ Mit der aktuellen
Gestaltung des Lutherplatzes wird der historische Lutherplatz stadträumlich
wieder in seiner Ursprungsgeometrie gefasst, und die Hofsituation der alten
Residenz wird umsäumt. Es entspricht dem Erhaltungsgedanken des städtebaulichen
Denkmalschutzes nach Bundesrecht und dem Geschichtsverständnis der Stadt
Eisenach eher, den mittelalterlichen Stadtgrundriss wegen seiner
städtebaulichen und geschichtlichen Bedeutung mit geeigneten Mitteln wieder
erlebbar zu machen, als die Bombenlücken des zweiten Weltkriegs als neue
Platzkonfiguration in der Stadttextur zu verstetigen. Daher stellt die
Gestaltung des Platzes auch keinen Abweichungstatbestand von der
Erhaltungssatzung dar.
Denkmalensemble „Altstadt“ – landesrechtlicher Denkmalschutz
Aus vorgenannten Erwägungen wurde hinsichtlich der Stellungnahme des landesrechtlichen Denkmalschutzes (Thüringer Denkmalschutzgesetz) eine Abwägung zu Gunsten der städtebaulichen und städtebaugeschichtlichen Denkmalbelange (Erhaltungssatzung nach Baugesetzbuch) vorgenommen. (Die Unterschutzstellung der Altstadt als Denkmalensemble stellt keine Ortssatzung dar.)
Über die Erforderlichkeit von Beschlüssen entscheidet der Stadtrat selbst, nicht aber die Fachverwaltung. Diese orientiert sich ausschließlich an der bestehenden Rechtslage und der Geschäftsordnung des Stadtrates.