Betreff
Anfrage der SPD-Stadtratsfraktion - Bebauungsplan Bahnhofsvorstadt
Vorlage
AF-0449/2019
Art
Anfrage

II. Fragestellung

 

1.      Wurde ein Sonderkündigungsrecht bzw. die Zahlung einer Vertragsstrafe (ggf. Preisnachlass) im Vertrag mit dem Fachplanungsbüro vereinbart und wenn ja, wurde die Vertragsstrafe/Preisnachlass bereits geltend gemacht (wenn nein, warum nicht)?

 

2.      Sofern ein Sonderkündigungsrecht vereinbart wurde, warum wurde es bisher nicht geltend gemacht und ein anderes Fachplanungsbüro beauftragt?

 

3.      Liegen die vollständigen Unterlagen für das Verkehrslärmgutachten und die Verkehrsleitplanung mittlerweile vor, so dass die zeitnahe Prüfung durch die Untere Immissionsschutzbehörde erfolgen kann?

 

4.      Besteht die rechtliche/vertragliche Möglichkeit, potentielle Regressforderungen vonseiten des Investors aufgrund der Nichterfüllung der Auflagen aus dem Kaufvertrag mit der Stadt Eisenach (ehemaliges KVG-Grundstück) und des Erlöschens der erteilten Baugenehmigungen (Dezember 2019/Januar 2020), auf das säumige Planungsbüro „abzutreten“ bzw. das Planungsbüro für mögliche finanzielle Folgeschäden der Stadt in Haftung zu nehmen?


ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:

 

Zum Sachverhalt

 

Im Januar 2019 wurde dem Stadtrat der Stadt Eisenach ein Sachstandsbericht (siehe Anlage) vorgelegt. In diesem sind der Bearbeitungsstand, die Arbeitsschritte und die Umstände aufgezeigt, welche eine Vorlage eines konfliktfreien und auslegungsfähigen Entwurfs zur Stadtratssitzung im April 2019 (rechtlich sowie real) nicht möglich machten.

 

Die Aussage: „Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung hingegen die Vorlage bereits für die Aprilsitzung dieses Jahres mehrheitlich beauftragt.“, ist nicht korrekt. Der Beschluss des Stadtrates lautet wie folgt:

Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt, dem Stadtrat bis zum Beginn des 3. Quartals 2019 den Bebauungsplan Nr.6 „Bahnhofsvorstadt“ entsprechend ihrer Berichtsvorlagen vom 13.03.2018 und 04.09.2018 zur Beschlussfassung vorzulegen und diesen durch die weiteren Schritte (Öffentlichkeitsbeteiligung, Abwägungsbeschluss, Genehmigung LvWA) zur Rechtskraft zu bringen.“

 

Ein Stadtratsbeschluss, der die zeitliche Vorgabe bzw. einen termingebunden Auftrag für eine konfliktfreie Entwurfsvorlage eines Bebauungsplans festlegt, wäre rechtswidrig. Dies ergibt sich schon aus dem § 1 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB, worin ein Anspruch auf die Aufstellung eines Bebauungsplanes auch nicht durch Vertrag begründet werden kann. Solche Terminvorgaben müssen schon an dem Umstand scheitern, dass ein Planentwurf ohne vollständige Konfliktbewältigung keinerlei Aussicht auf Erlangung der Satzungsreife hat und somit sachverständig nicht vorgelegt werden kann.

 

Bei der Erarbeitung eines Bebauungsplanes gibt es nicht vorhersehbare Planungsschritte und Risiken, die einen flexiblen Bearbeitungszeitraum erfordern. Bei der Erarbeitung des B 6 wurde z. B. durch die Landesstraßenbauverwaltung die Durchführung einer übergeordneten Planung, ein Planfeststellungsverfahren für die  Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 19 im Bereich der Bahnhofstraße, als höherrangiges Recht beschlossen und zwischengeschoben. Auf ein solches Verfahren hat die Stadt Eisenach keinen Einfluss. Auch somit können zeitlich gebundene Aufträge durch einen Stadtrat nicht rechtskonform sein. In diesem Zusammenhang stimmt auch die Aussage nicht, dass der Entwurf des Bebauungsplanes „eine mehr als zweijährige“ Verzögerung habe. Der Planfeststellungsbeschluss ist erst seit Mai 2018 rechtswirksam. Somit konnten nachfolgende Arbeiten im Bebauungsplanverfahren auch erst danach weitergeführt werden. Die Zeitangaben in den von der Verwaltung vorgelegten Sachstandsberichten stellen im Übrigen lediglich ein unter Einhaltung aller angenommenen Bedingungen geschätztes Zeitfenster dar.

 

Ein Bauleitplanverfahren ist durch das Baugesetzbuch i. V. mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt und kann durch den Stadtrat nicht beschleunigt werden.

 

Bebauungsplan zum B 6 – kurze Verfahrensübersicht (nicht vollständig)

 

Aufstellungsbeschluss                                                                                              1990

Städtebaulicher Wettbewerb                                                                                   1993

Vorentwurf B 6                                                                                                         1994

Beschluss über (1.) Entwurf B 6                                                                               1997

Beschluss über Stornierung des Verfahrens                                                            1998

Änderungsbeschluss  Geltungsbereich                                                                    2002

Beschluss über Teilbebauungsplan B 6.1 „Tor zur Stadt“                                       2006

(Bearbeitung B 6 hat „geruht“)

Beschluss über Entwurf B 6.1 „Tor zur Stadt“                                             2007

Abwägungsvorschlag B 6.1 „Tor zur Stadt“ wurde abgelehnt                     2008

Beschluss über 2. Entwurf B 6.1 „Tor zur Stadt“                                         2009

Abwägungsergebnis Zusammenlegung B 6 und B 6.1                                 2010

Beschluss über 2. Entwurf B 6                                                                      2011

Abwägung zum 2. Entwurf mit Ergebnis weiterer Entwurf                         2013

Beschluss über 3. Entwurf                                                                            02/2016

Abwägung zum 3. Entwurf mit Ergebnis eines 4. Entwurfes                                   05/2016

Stadtinterne Beteiligung zur Erarbeitung des 4. Entwurfes                        12/2016

Entscheidung über Planfeststellungsverfahren                                           02/2017

Abschluss Planfeststellungbeschluss mit Einspruchsfrist                             05/2018

 

Aus der Verfahrensübersicht ist zu erkennen, dass seit der Absicht, für den Bereich einen Bebauungsplan aufzustellen, bis heute mehrere Jahre vergangen und mehrere Entwürfe aufgrund der Beschlussfassung des Stadtrates gefertigt wurden. Ebenso ist zu erkennen, dass andere Planverfahren (grau hinterlegt) dazwischen geschoben wurden, die die Bearbeitung des B 6 „gezwungenermaßen“ ruhen ließen.

 

Mit der Bearbeitung des Bebauungsplanes wurden auch verschiedene Ingenieurbüros gebunden. Für städtebauliche Leistungen waren das bisher drei. Das seit Ende 2014 mit der Erstellung des 3. Entwurfs letzte vertraglich gebundene Architekturbüro hat seither bereits  einen Folgevertrag abgeschlossen, da ein Vertrag nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nur die Leistungen bis zur Genehmigung eines Entwurfes vorsieht.

 

Die Entscheidung, dass ein weiterer Entwurf notwendig wird, hat zur Folge, dass ein solcher HOAI-Vertrag ebenfalls über die dafür zusätzlich anfallenden Leistungen geschlossen werden muss (Nachtrag/ Folgevertrag). Wirtschaftlicher ist es dabei, dass Büro beizubehalten, das den letzten Entwurf gefertigt hat, da bei diesem alle Grundlagen und Vorplanungen bekannt sind. Ein neues Büro hätte Anspruch auf eine solche Grundlagenermittlung und weitere Analysetätigkeiten und somit auf Vergütung.

 

Ähnlich verhält es sich mit den Ingenieurbüros, die für einen solchen Bebauungsplanentwurf gutachterlich tätig werden. Die Gutachter sind vertraglich jeweils für den im Vertrag beschrieben Leistungsumfang gebunden. Ergeben sich Änderungen oder Anpassungen an einer Untersuchung, wie etwa bei einem neuen Entwurf, hat das Ingenieurbüro Anspruch auf Erweiterung seiner Leistung und es werden Folgeverträge fällig. Aus denselben Gründen, wie o. g., macht ein Bürowechsel in einem späten Planungsstadium finanziell und zeitlich keinen Sinn.

 

Die für den 3. Entwurf zuletzt eingeschalteten 5 Ingenieurbüros waren vertraglich auch bereits seit 2016 gebunden. Das heißt, die Verträge mussten für den 4. Entwurf ebenfalls um den zusätzlichen Leistungsumfang erweitert und finanziell gesichert werden.

 

Zum 4. Entwurf:

Die „Unterbrechung“ der Bearbeitung des B 6 durch die Planfeststellung von Februar 2017 bis Mai 2018 führte zum einen zu Anpassungen im Leistungsumfang der Ingenieurbüros. Aber zum anderen konnten geplante Bearbeitungen durch die Büros nicht in diesem Zeitraum durchgeführt werden. Gerade bei kleineren Ingenieurbüros ist die Leistungsfähigkeit zeitabhängig und kann schwanken, wenn unvorhergesehene Schritte zu einer Unterbrechung führen. Das Risiko, dass das betreffende Ingenieurbüro zu der Zeit nach dem Planfeststellungsbeschluss noch weitere Aufträge angenommen haben könnte, und dadurch die Dauer der Leistungslieferung verzögert werden würde, war daher eher in Kauf zu nehmen als ein gänzlich neues Ingenieurbüro zu binden und von vorne anzufangen. Letztlich war es nicht den Büros anzurechnen, dass eine derartige Verzögerung durch die Planfeststellung eintrat. Die anschließende Verzögerung der Erstellung bzw. Anpassung verschiedenen Gutachten ist bedauerlich, aber im Verhältnis zur Gesamtdauer der Aufstellung des Bebauungsplanes vergleichsweise gering. Der Umstand, dass zwei der fünf Büros sowohl in der Planfeststellung als auch im Bebauungsplanverfahren gebunden waren, muss letztlich sogar noch als außerordentlich zeit- und aufwandreduzierend eingeschätzt werden.

 

Zu 1.:

Ein Ingenieurvertrag zu einem Bebauungsplan setzt lediglich Termine und Fristen fest, sofern diese rechtlich und realistisch möglich sind. Vertragsstrafen, Preisnachlässe etc. sind nicht geregelt. Ein Sonderkündigungsrecht besteht nicht.

 

Die Begründung ergibt sich aus den o. g. Ausführungen.

 

Zu 2.:

Ergibt sich aus den Ausführungen zu 1. Ein Bürowechsel wäre insoweit weder zeit- noch sachdienlich gewesen, wenngleich das betreffende Büro eine Verzögerung hervorgerufen hat, die jedoch vergleichsweise gering ist.

 

Zu 3.:

Die notwendigen Zuarbeiten der Gutachter und Fachplaner liegen nunmehr seit dem 07.02.2019 vollständig vor und werden intern geprüft. Bei der aktuellen Personalsituation der Unteren Immissionsschutzbehörde dauern diese immer noch an bzw. haben noch nicht begonnen. Hierauf wurde bereits im Sachstandsbericht vom Januar 2019 hingewiesen. Die dort genannte Annahme, dass man mit dem Abschluss der Prüfung bis Ende Februar 2019 rechne, ist daher bereits nicht mehr haltbar.

 

Zu 4.

Die Fragestellung ist unklar. Potentielle Regressanforderungen bestehen nicht. Ein Schaden durch die bisherige „Verzögerung“ ist weder beim Investor noch bei einem anderen Beteiligten zu verzeichnen. Für das Bauvorhaben des Investors besteht auch ohne den 4. Entwurf des Bebauungsplanes B 6 Baurecht nach § 33 Abs. 1 und 2 BauGB und der gesicherten Erschließung nach dem Planfeststellungsbeschluss.

 

Eine Baugenehmigung gilt 3 Jahre und kann durch Antragstellung verlängert werden. Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes kann es nicht geben, da es keinen Anspruch auf die Aufstellung eines Bebauungsplanes gibt (§ 1 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BauGB, siehe oben). Hinweise auf ein womögliches Scheitern des Bebauungsplanverfahrens lagen und liegen nicht vor. Gerade durch die Planfeststellung konnten zentrale Fragestellungen zur Verkehrsqualität und Verkehrslärmkonstellation bereits verbindlich geklärt bzw. vorgeklärt werden. Soweit die Planfeststellung für Teilbereiche (Bahnhofstraße) rechtsverbindliche Ergebnisse liefert, werden diese in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden.