I.
Beschlussvorschlag:
Der Stadtrat der Stadt Eisenach beschließt:
1. Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt, den am
04.09.2019 gestellten Antrag auf Gewährung einer Bundeszuwendung auf
Ausgabenbasis (AZA), entsprechend der Bewilligung durch den DLR Projektträger,
im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, umzusetzen.
2. Entgegen dem Stadtratsbeschluss zur
Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes der Stadt Eisenach 2012-2022,
in der gültigen Fassung, die Reduzierung des vorgesehenen Stellenabbaus
zugunsten der Besetzung einer entsprechend befristeten Stelle für den Bereich
OVPEV/MEW – Die Ordnung des Verkehrs jenseits des Personenförderungsgesetzes -
Erarbeitung einer praktischen Vision für die innovative und nachhaltige
Mobilität in der Stadt-Land-Region Eisenach-Wartburgkreis.
3. Die Stellenbesetzung steht unter dem Vorbehalt der vollständigen Zuweisung des möglichen Förderbetrages.
II.
Begründung:
Die Stadt Eisenach
hat sich erfolgreich in einem wettbewerblichen Verfahren der Fördermaßnahme
SOEF-Sozial-ökologische Forschung im Förderbereich MobilitätsWerkStadt 2015 des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beworben (siehe Anlage:
Antrag OVPEV/MEW). Mit der Übersendung des Bewilligungsbescheids wird für
Anfang Dezember 2019 gerechnet. Um die Stelle frühestens zum 01.01.2019
besetzen zu können, ist eine zeitnahe Ausschreibung erforderlich.
Das Programm
MobilitätsWerkStadt 2015 des BMBF ist mehrstufig ausgelegt. Bei erfolgreichem
Abschluss dieser ersten Förderphase hat die Stadt Eisenach die Möglichkeit,
eine weitere und umfangreichere Förderung zu beantragen.
Die hier beantragte
wissenschaftliche Stelle bei der Stadt Eisenach soll auf konzeptioneller Ebene
wissenschaftlich fundiert für die Stadt Eisenach und den Wartburgkreis eine
praktische Vision erarbeiten, wie der Verkehr und die Mobilität neu gedacht,
geplant und in Experimentierräumen getestet werden kann.
Zu den Aufgaben der
Stelle mit Unterstützung der beantragten wissenschaftlichen Begleitung gehören
folgende Aufgabenkomplexe:
· Generierung von Leitbildern für eine neue Stadt-Land-Mobilität als Prozess
· Ordnung der Leitbilder zu einem Bild der Stadt-Land-Mobilität mit Definition von neuen Rollen für die Akteure und Mobilitätsanbieter
· Vorschläge für deregulierte Experimentierräume für die testweise Umsetzung des Stadt-Land-Verkehrs jenseits des PBefG in der Stadt Eisenach und im Wartburgkreis
Die aktuelle Lage im
Verkehr in Eisenach und im Wartburgkreis ist trotz einer Vielzahl innovativer
und nachhaltiger Projekte, neuer Angebote und der Nutzung der Möglichkeiten,
die die Digitalisierung für diese Mobilitätsangebote bietet, in vielerlei
Hinsicht unbefriedigend.
Zu viele Staus, zu
hohe Schadstoffemissionen und ein zu hoher Flächenbedarf verhindern eine
nachhaltige Organisation von Mobilität. Der Pendlerverkehr nimmt unvermindert
zu und lässt die Zahl der Fahrzeuge weiter steigen. Die Abhängigkeiten vom
motorisierten Individualverkehr sind mittlerweile groß, die hohe
Motorisierungsrate im Wartburgkreis (604 PKW pro 1.000 Einwohner*innen) deutet
darauf hin, dass viele Haushalte ein zweites Auto besitzen. Busse und Bahnen
mit ihren starren Linienführungen und der Fokussierung auf den Schülertransport
mit entsprechenden Fahrtzeiten vor 8 Uhr und am frühen Nachmittag sind keine
Alternative.
Im Projekt sollen
neue experimentelle Wege zur Reduzierung der Abhängigkeiten vom privaten PKW
und zur Attraktivitätssteigerung eines ÖV generiert werden. Gebraucht wird eine
integrierte Lösung für den Stadt-Land-Raum Wartburgkreis, die die Zahl der Fahrzeuge
drastisch reduziert und die Beweglichkeit der Menschen erhöht. Es ist also eine
umfassende Verkehrswende notwendig. Während in den Städten das eigene Auto im
Durchschnitt nur noch bei einem Drittel der Wege beteiligt ist, in Großstädten
sind es sogar nur noch 25 Prozent, fehlen auf dem Land Alternativen.
Trotz teilweise restriktiver Regulierung im Verkehr, u.a. durch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG), ist eine Vielzahl von neuen Optionen entstanden. Neben Automobilen, Bussen und Bahnen, Taxis und Mietwagen sowie Fahrrädern sind durch die Digitalisierung vielfältige neue Mobilitätsdienste mit Selbstfahrer-Mietfahrzeugen und Fahrdienste auf diversen Car-, Bike-, Scooter- und Ridesharing-Plattformen entstanden. Neben den schon eingeführten teils elektrisch angetriebenen Autos, Rollern, Fahrrädern kommen aktuell auch elektrische Mikromobile wie Tretroller oder Skateboards dazu. Die Konkurrenz um den knappen öffentlichen Raum nimmt zu.
Auch in ländlichen Gebieten werden bereits Pilotprojekte durchgeführt: Auf Basis einer digitalen Plattform können Privatpersonen andere in einem definierten Gebiet und zu festgelegten Zeiten gegen ein Entgelt mitnehmen, das deutlich über den Betriebskosten liegt. Im Wartburgkreis (Wartburgmobil Carla) und im bayerischen Freyung haben die Genehmigungsbehörden den Betrieb kleiner Fahrzeugflotten in enger Anbindung an den dortigen Nahverkehrsbetreiber genehmigt. Gleichzeitig sind eine Reihe digitaler Plattformangebote entstanden, die zumindest das theoretische Potenzial haben, den Besetzungsgrad auch bisher konventioneller Fahrzeuge deutlich zu erhöhen.
Die Erfahrungen in Deutschland und in anderen Regionen der Welt zeigen, dass diese Mobilitätsdienste für viele Kunden attraktiv sein können und die Erreichbarkeiten in Städten und ländlichen Regionen deutlich verbessern. In Verflechtungsräumen sowie in ländlichen Gebieten dominiert hingegen das private Fahrzeug weiterhin. Insgesamt sind damit weder die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen noch ist erkennbar, wie die Aufenthaltsqualität in den Städten und auch auf dem Land zu verbessern wäre.
Vor diesem Hintergrund ist das generelle Leitbild zu beschreiben, wie der Verkehr der Zukunft in Eisenach und im Wartburgkreis aussehen könnte und welche Rolle dabei der MIV, der ÖV, Taxis und Mietwagen und die neuen plattformbasierten Mobilitätsangebote spielen könnten. Wie könnte Mobilität jenseits aktueller Regulierungen (PBefG) in Eisenach und dem Wartburgkreis geordnet werden, um ein nachhaltiges, flexibles und modernes Mobilitätsangebot zu kreieren, das für Kunden, Kommunen und Dienstleister gleichermaßen attraktiv gestaltet werden kann, das die Umweltfolgen des Verkehrs (Flächenverbrauch, Schadstoffe, Lärm) reduziert, das den regulatorischen Rahmen neu justiert und vereinfacht.