I.
Beschlussvorschlag:
Der Stadtrat der Stadt Eisenach beschließt:
1. Die Stadt Eisenach beteiligt sich als
Gesellschafterin durch den Erwerb von Anteilen in Höhe von 85,27 Euro an dem
kommunalen IT-Dienstleister in Thüringen – Kommunale Informationsverarbeitung
Thüringen GmbH (KIV).
2. Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt und
ermächtigt, allen notwendigen Beschlüssen, Verträgen und Rechtshandlungen zum
Beitritt der Stadt Eisenach zu dem Thüringer Kommunalen IT-Dienstleister –
Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH (KIV) – zuzustimmen. Die
Oberbürgermeisterin wird in diesem Zusammenhang ebenfalls beauftragt und
ermächtigt, alle im Rahmen des Beitrittsverfahrens erforderlichen Erklärungen
abzugeben und entgegenzunehmen. Dies gilt auch für die Einholung von
rechtsaufsichtlichen Genehmigungen sowie die notarielle Abwicklung der
Beteiligung.
3. Die Oberbürgermeisterin wird ermächtigt, dem Gesellschaftsvertrag der KIV (Anlage 1) sowie der Gesellschaftervereinbarung der KIV (Anlage 2) einschließlich ggf. notwendiger redaktioneller Änderungen aufgrund von behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen zuzustimmen.
II.
Begründung:
Einführung
Am 27. Mai 2020 wurde die KIV Kommunale Informationsverarbeitung
Thüringen GmbH (im Nachfolgenden „KIV“) zum kommunalen IT-Dienstleister für
Thüringer Gemeinden, Städte, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise
umgegründet. Gesellschafter der KIV sind der Freistaat Thüringen, die ekom21 –
Kommunales Gebietsrechenzentrum Hessen sowie der Gemeinde- und Städtebund
Thüringen. Den Thüringer Kommunen ist es möglich, sich ebenfalls an der KIV
durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen als Mitgesellschafter zu beteiligen.
Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ist die Entwicklung, Wartung,
Beschaffung, Bereitstellung, Betreuung und betriebliche Abwicklung
technikunterstützter Informationsverarbeitung einschließlich der Einbringung
aller damit im Zusammenhang stehenden Beratungs- und Schulungsleistungen sowie
die Beratung und Unterstützung bei Digitalisierungsvorhaben innerhalb der
Verwaltungen. Sie unterstützt insbesondere die Gesellschafter darin, ihre
Verpflichtungen und Aufgaben aus dem Onlinezugangsgesetz des Bundes sowie dem
Thüringer E-Government-Gesetz zu erfüllen.
Hierbei soll die Gesellschaft ihre Leistungen für die Gesellschafter
zukünftig inhousefähig anbieten können, so dass die Gesellschafter gestützt auf
den Ausnahmetatbestand des § 108 Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB), in der Lage sein sollen, der Gesellschaft Aufträge zu erteilen, ohne
hierfür ein Vergabeverfahren durchführen zu müssen.
Ausgangssituation
Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen
(Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet Bund und Länder, ihre
Verwaltungsleistungen bis zum Ende des Jahres 2022 auch elektronisch über
Verwaltungsportale anzubieten. Zudem sind Bund und Länder verpflichtet, ihre
Verwaltungsportale miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen. Das OZG
verpflichtet damit auch alle Kommunen bis zum 31. Dezember 2022 alle von der
Kommune angebotenen Verwaltungsleistungen ebenfalls zusätzlich vollständig
elektronisch abzubilden, inklusive einer Identifizierungs- und
Bezahlmöglichkeit für Bürger und Unternehmen. Zudem werden sich aus dieser
gesetzlichen Verpflichtung und deren Erfüllung erhebliche Auswirkungen auf die
Arbeit der Kommunalverwaltungen im übertragenen Wirkungskreis ergeben.
Darüber hinaus stellt auch die Umsetzung der Vorgaben aus dem Thüringer
E-Government-Gesetz (ThürEGovG) die Kommunen in Thüringen vor erhebliche
Herausforderungen, die überwiegend nicht im Alleingang zu bewältigen sind.
Die kommunale Informationsverarbeitung in Thüringen ist derzeit geprägt
durch folgende Umstände:
-
Das Thüringer Landesrechenzentrum (TLRZ) ist
Landes-IT-Dienstleister und steht damit für IT-Verfahren den Kommunen nicht als
kommunaler IT-Dienstleister zur Verfügung.
-
Größere Verwaltungseinheiten setzen die
Informationsverarbeitung durch eigene/interne Ressourcen um.
-
Die Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen
GmbH in Gotha mit den bisherigen Gesellschaftern ekom21 – Kommunales
Gebietsrechenzentrum Hessen und Gemeinde- und Städtebund Thüringen bietet
IT-Services auf der Grundlage von privatrechtlichen Verträgen den Kommunen in
Thüringen an. Diese Leistungen und Services sind zuvor von den Gemeinden
(ergebnisoffen) auszuschreiben.
-
Das Land Thüringen stellt den Kommunen über die
Thüringer E-Government Förderrichtlinie Gelder in Höhe von insgesamt 80 Mio.
Euro verteilt über 5 Jahre zur Verfügung. Diese Fördermittel wurden bisher in
nur unzureichendem Umfang ausgereicht.
Diese Umstände sind kaum geeignet, den künftigen Anforderungen, die u. a.
aus den bereits genannten gesetzlichen Anforderungen resultieren, im
erforderlichen Maß gerecht zu werden.
Entwicklung
eines Thüringer kommunalen IT-Dienstleisters
Ein Blick in alle anderen Bundesländer zeigt, dass sich dort zur
Koordination und Aufgabenteilung mit einer indirekten oder direkten Beteiligung
von Verwaltungen und kommunalen Spitzenverbänden zahlreiche kommunale IT-
Dienstleister etabliert haben. Es ist davon auszugehen, dass diese aufgrund
ihres Angebotes und der Möglichkeit, die Leistungen dort u. U. inhousefähig zu
erwerben, qualifizierter sind, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam mit
den Kommunen zu meistern.
Um eine solche Einrichtung auch für Thüringer Kommunen zu ermöglichen,
haben sich das Land Thüringen, die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum
Hessen und der Gemeinde- und Städtebund Thüringen e. V. in den vergangenen
Monaten über eine mögliche Umgestaltung der bestehenden Kommunalen
Informationsverarbeitung Thüringen GmbH beraten und abgestimmt.
Öffnung der
Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH
Ausgangspunkt des kommunalen IT-Dienstleisters für Thüringen ist die
Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH. Mit dieser ist bereits ein
Akteur vorhanden, der sich im Bereich der kommunalen Informationsverarbeitung
seit vielen Jahren betätigt.
Gesellschafter der Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH
waren bis zum 27. Mai 2020 der Gemeinde-
und Städtebund Thüringen e. V. zu rund 49% sowie die ekom21 – Kommunales
Gebietsrechenzentrum Hessen, ebenfalls zu rund 49%. Die verbleibenden 2% hielt
die KIV GmbH bislang selbst. Seit dem 27. Mai 2020 halten der Gemeinde- und
Städtebund Thüringen e. V. und die ekom21 – Kommunales Gebietsrechenzentrum
Hessen jeweils 45,45% der Gesellschaftsanteile. Das Land hat 9,09% der
Geschäftsanteile erworben. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.800
Euro.
Die KIV GmbH soll in ihrer jetzigen Rechtsform als Gesellschaft mit
beschränkter Haftung bestehen bleiben und für den Beitritt von einzelnen
Gemeinden, Städten und Verwaltungsgemeinschaften als Gesellschafter durch den
Erwerb von Gesellschaftsanteilen geöffnet werden. Weitere zentrale Zielstellung
bei der Errichtung des kommunalen IT-Dienstleisters ist das Erreichen der sog.
Inhouse-Fähigkeit.
Das Land Thüringen ist bereits Gesellschafterin des kommunalen
IT-Dienstleisters geworden. Durch diese Beteiligung des Landes am kommunalen
IT-Dienstleister kann in dieser engen Kooperation die Digitalisierung in
Thüringen vorangetrieben sowie die Zusammenarbeit mit dem Landesdienstleister
TLRZ bestmöglich koordiniert und in sinnvoller Arbeitsteilung organisiert
werden (bspw. bei der Umsetzung von iKfz Stufe 3).
Aufgrund der Öffnung der Gesellschaft für die Kommunen sowie zur
möglichen Erreichung der Inhouse-Fähigkeit wurde der bereits bestehende
Gesellschaftsvertrag der KIV GmbH umfassend geändert und liegt nun zur
Unterzeichnung durch die Kommunen vor. Der Gesellschaftsvertrag ist als Anlage
1 beigefügt. Durch die Zahlung in Höhe von 85,27 Euro erwirbt die Kommune 1
Geschäftsanteil im Nominalwert von 1 Euro. Die finanzielle Leistungsfähigkeit
der Gemeinde wird hierdurch nicht geschmälert. Ein darüber hinaus gehender
Erwerb von Geschäftsanteilen ist nicht möglich. Eine Nachschusspflicht und
damit eine Verpflichtung zur Übernahme von Verlusten in unbestimmter oder
unangemessener Höhe sind ausgeschlossen. Hinzu kommen einmalig Notarkosten für den
Erwerb des Anteils in Höhe von ca. 200 Euro.
Darüber hinaus wurde, insbesondere zur Herstellung der Inhouse-Fähigkeit
des kommunalen IT-Dienstleisters eine sog. Gesellschaftervereinbarung (Anlage
2) erstellt. Dabei handelt es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen
den Parteien. Darin können nähere Einzelheiten geregelt werden, bspw.
Stimmbindungen und Besetzungen von Geschäftsführung und Aufsichtsräten. Durch
die darin vereinbarte Bildung von Gesellschaftergruppen wird insbesondere auch
der Einfluss der Gemeinden im Aufsichtsrat gestaltet. So wird hier ein Einfluss
ermöglicht, der über den geringen Umfang der Beteiligung sogar hinausreicht.
Rechtsformenvergleich
Die GmbH als Kapitalgesellschaft empfiehlt sich demnach im Vergleich der Rechtsformen des privaten Rechts insbesondere
hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten und Haftungsbeschränkungen der Kommunen,
der Flexibilität in der Gestaltung und Finanzierung sowie der Erfüllung der
weiteren kommunalrechtlichen Vorgaben der unternehmerischen Betätigung nach §
71 ff. ThürKO.
Geschäftstätigkeit
des kommunalen IT-Dienstleisters
Folgende Dienste, Dienstleistungen und Fachanwendungen stellt der
kommunale IT-Dienstleister zur Verfügung, welche die Gesellschafter in freier
Entscheidung ganz oder teilweise nutzen können:
-
Strategieentwicklung Beratung & Training (z.B.
für die Einführung einer Digitalen Agenda)
-
Beratung, Entwicklung sowie Umsetzung von
Digitalisierungsvorhaben und OZG
-
IT-Sicherheit (z.B. Einführung eines ISMS)
-
Ausschreibung und Beschaffungsmanagement (z.B.
Software, Hardware, Dienstleistungen…)
-
Kommunale Cloud Dienste (Rechenzentrum)
-
Software als Service, Plattform als Service in der
Kommunal-Cloud
-
Infrastruktur als a Service z.B. Bereitstellung von
Servern, Langzeitspeichert etc. mit zentraler Administration und Datensicherung
-
Kommunaler Austausch und Weiterbildung
-
Kommunal-Software direkt vor Ort (Auswahl) –
dezentrale Administration von ausgewählten IT-Infrastrukturen
-
Eigene Softwareentwicklung (Schnittstellen,
Fachverfahren)
-
Beratung und Support von ausgewählten
IT-Fachanwendungen
-
Technik und Netze
-
Unterstützung förderfähiger E-Government-Vorhaben
und deren Umsetzung auf Basis vorhandener oder einzuführender Softwarelösungen
in der Gesellschaft (z.B.
Kommunalgateway, E-Rechnung, IT-Sicherheit, Workflowmanagement).
Mit Etablierung des kommunalen IT-Dienstleisters wird zudem eine
Forderung des Thüringer Rechnungshofs - Bereich Kommunalprüfung, umgesetzt.
Dieser hatte gefordert, dass ein gemeinsamer zentraler IT-Dienstleister in
Thüringen etabliert wird, welcher die Kommunalen IT-Aufgaben landeseinheitlich
mit gleichen Maßstäben erfüllt.
Vorteile durch
die Gesellschafterstellung beim kommunalen IT-Dienstleister
Zusammenfassend ergeben sich durch die Gesellschafterstellung der Stadt
Eisenach bei der Kommunalen Informationsverarbeitung Thüringen GmbH
nachstehende Vorteile:
-
Wegfall der Bindung von Ressourcen für die
Erarbeitung von umfassenden Leistungsbeschreibungen, insbesondere dann, wenn
die Durchführung von europaweiten Ausschreibungen entbehrlich ist
-
Zeitgewinn durch wegfallende
Leistungsverzeichnis-Erarbeitungen und Vergabeverfahren
-
Zeitgewinn wird sich positiv auf die Umsetzung der
E-Government-Maßnahmen auswirken
-
Fördermittelfähige Vorhaben lassen sich
zielgerichtet und zügig umsetzen
-
Ausreichung von E-Government Fördermitteln wird
erleichtert
-
aufgrund möglicher Inhousevergabe ist die
Beschaffung von IT-Produkten und Dienstleistungen aus dem Portfolio der KIV für
die Kommune ausschreibungsfrei und zügig möglich
-
Realisierung der nach den gesetzlichen Regelungen
geforderten elektronischen Verwaltungsleistungen wird erleichtert
-
Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des IT-Betriebs
und des IT-Service
Weitere
Schritte
Nach der Beurkundung des notariellen Vertrages zum Erwerb des
Geschäftsanteils muss dieser als Grundlage der Beteiligung der Stadt Eisenach
an der GmbH durch das Thüringer Landesverwaltungsamt als Rechtsaufsichtsbehörde
gemäß § 73 Abs. 1 Satz 4 ThürKO genehmigt werden. Der Antrag auf
rechtsaufsichtliche Genehmigung wurde bereits mit Schreiben vom 17.07.2020 an
das Thüringer Landesverwaltungsamt gesandt mit dem Hinweis, die weiteren, zur
Genehmigung benötigten Unterlagen, nachzureichen.
Da das Projekt eines kommunalen IT-Dienstleisters einschließlich des
Entwurfs des Gesellschaftsvertrags und des Entwurfs der
Gesellschaftervereinbarung zwischen dem TFM und dem TMIK abgestimmt ist, ist
davon auszugehen, dass aus rechtsaufsichtlicher Sicht keine grundsätzlichen
Einwände gegen eine Beteiligung der Stadt Eisenach an der KIV bestehen.
Anlagenverzeichnis:
Anlage 1 –
Gesellschaftsvertrag KIV GmbH
Anlage 2 –
Gesellschaftervereinbarung KIV GmbH
Die Anlagen können Sie im Internet unter www.eisenach.de à Rathaus à Stadtrat und
Gremien à Ratsinfosystem
unter dem Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung und im Büro des Stadtrates
einsehen.