Sachverhalt:
Der Stadtrat der Stadt Eisenach hat in seiner Sitzung am 21.07.2021
folgenden Beschluss gefasst:
„Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt,
gegenüber dem Stadtrat in seiner nächsten Sitzung darüber zu berichten, welche
konkreten Empfehlungen aus dem "Gutachten des Finanzwissenschaftlichen
Forschungsinstitutes an der Universität zu Köln" im Auftrag des Thüringer
Ministeriums für Inneres und Kommunales - Überprüfung des vertikalen und
horizontalen Finanzausgleichs in Thüringen" zu entnehmen sind und welche
finanziellen Auswirkungen für die Stadt Eisenach im Falle einer vollständigen
Umsetzung der Empfehlungen abgeleitet werden können.
Die Oberbürgermeisterin wird weiterhin
beauftragt, in ihrem Bericht darzustellen, ob und inwieweit er gegenüber dem
Städte -und Gemeindebund Thüringen eine Stellungnahme auf die Stadt Eisenach
abgegeben hat und welchen Inhalt die Stellungnahme konkret hatte.“
Bericht:
Mit Artikel 1 des
Thüringer Gesetzes zur Änderung der Finanzbeziehungen zwischen Land und
Kommunen vom 31. Januar 2013 (GVBl. S. 10) hat der Thüringer Landtag
seinerzeit die Reform des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes für das
Finanzausgleichsjahr 2022 beschlossen.
Demzufolge wurde durch die Landesregierung dem Finanzwissenschaftlichen
Forschungsinstitut an der Universität in Köln ein Auftrag zur Erstellung eines
Gutachtens
„zur Überprüfung
des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs in Thüringen“
erteilt. Dieses Gutachten liegt dem Land seit dem 25.03.2021 vor und wird
seither im Unterausschuss kommunaler Finanzgleich beraten.
Die wesentlichen Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Gutachtens
werden nachstehend zusammen gefasst dargestellt.
·
Die aktuell
bestehende Einwohnerstaffel (§ 9 ThürFAG) besteht „weder theoretisch noch
empirisch auf einer validen Grundlage“ besteht und sollte demzufolge durch
„regressionsanalytisch bestimmte Bedarfs unter Berücksichtigung struktureller
Unterschiede ersetzt werden“.
·
Eine turnusmäßige
Überprüfung der Regressionskoeffizienten sowie der horizontalen und vertikalen
Symmetrie der Kosten im Sozialbereich sei sinnvoll.
·
Der aktuelle,
aufgabenspezifische Ansatz zur Bestimmung der kommunalen Mindestausstattung
wird bestätigt. Es werden allerdings transparentere und statistisch besser
kommunizierbare Benchmarks vorgeschlagen.
·
Die
Sonderlastenausgleiche für Schullasten, Schülerbeförderung,
Kindertagesbetreuung und Infrastrukturpauschalen werden prinzipiell bestätigt.
Nicht weiter berücksichtigt werden sollte der bisherige Ansatz für Kurorte, wie
auch die Ansätze für unterdurchschnittliche Einwohnerdichte und Kulturlasten,
die mit der Begutachtung in die Schlüsselzuweisung integriert seien.
Sonderlastenausgleiche sollten zukünftig „nur dann zum Tragen kommen, wenn es
sich um Pflichtaufgaben besonderer Wichtigkeit für die Gesamtheit des Landes
handelt.“
·
Investitionspauschalen
seien prinzipiell zu begrüßen, um die Investitionstätigkeit der Kommunen zu
unterstützen.
·
Der
Mehrbelastungsausgleich vor dem Hintergrund des Art. 93 der Verfassung des
Freistaats Thüringen sei sachgerecht, die aktuelle Ausgestaltung weise jedoch
Schwachstellen auf.
·
Im Rahmen der
Analyse der vertikalen sowie horizontalen Verteilungssymmetrie lag auf der
Basis des Jahres 2018 „eine leichte Schieflage zu Gunsten der Landesebene“ vor.
Zur Beseitigung dieser Schieflage hätte die Finanzausgleichsmasse im Jahre 2018
um 100,5 Mio. Euro angehoben werden müssen (eine Anhebung erfolgte im Jahre
2020 um 100 Mio. Euro). Weiterhin zeige sich eine „deutliche asymmetrische
Mittelverteilung“ bei den Teilschlüsselmassen für die Kreis- und
Gemeindeaufgaben. „Sowohl ausgabenbasiert im Zeitverlauf als auch auf Basis der
Bedarfe ist die aktuelle Mittelverteilung zu Lasten der Gemeinden festgelegt.
Die Abweichung ist profund, so dass eine Anpassung zwingend als sachgerecht
benannt werden muss. Um eine perfekt symmetrische horizontale Verteilung zu
erreichen, hätten im Jahr 2018 131,5 Mio. Euro zusätzlich für die
Gemeindeaufgaben anstatt Kreisaufgaben zur Verfügung stehen müssen.
·
Der im ThürFAG
festgelegte Turnus von 4 Jahren zur Überprüfung des KFA wird als angemessen
angesehen.
Im Rahmen einer Sitzung des Arbeitskreises HKR beim GSB am 26.04.2021 und
des Präsidiums des GSB am 05.05.2021 wurde das Gutachten mit den kommunalen
Vertretern beraten und demzufolge mit Schreiben vom 14.05.2021 eine erste
Stellungnahme des GSB (sh. Anlage 1) an das Thüringer Ministerium für Inneres
und Kommunales gerichtet, mit der u. a. darauf verwiesen wird, dass „die
bisherigen Ergebnisse des Gutachtens … derzeit noch keine abschließende
Bewertung zulassen, ob die vorgeschlagenen neuen Methoden und Verteilungsmaßstäbe
den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen an eine angemessene
Finanzausstattung der Kommunen in Thüringen in vollem Umfang genügen“.
In der Stellungnahme des GSB wird zu den im Gutachten enthaltenen
Ausführungen zur „Ermittlung der tatsächlichen Bedarfe“ (Seite 2) darauf
hingewiesen, dass die vorgenommene Bedarfsermittlung – wie in der Vergangenheit
– auf den Ist-Zahlen der mehrjährigen Jahresrechnungsstatistik fußt und
insofern die tatsächlichen Bedarfe im kommunalen Bedarfe auch mit dieser
Begutachtung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Daher „bleibt auch offen,
ob die seit 2018 erfolgte Aufstockung der Finanzausgleichsmasse um 239 Mio.
Euro das von dem Gutachten ermittelte Ungleichgewicht gegenüber dem Land und
zwischen den kommunalen Ebenen bereits behoben hat, da die Erhöhung im Jahr
2021 zugleich von den Sonderfaktoren der Corona-Krise bestimmt ist.“
Abschließend hat der GSB darauf hingewiesen, dass durch die
Landesregierung die Erarbeitung eines konkreten Gesetzgebungsvorschlages zur
Reform des KFA erforderlich sei, um seitens der Kommunen konkreter die sich
daraus im Einzelnen ergebenden Auswirkungen, z. B. für die große Kreisstadt
Eisenach beurteilen zu können.
Ergänzend zur Stellungnahme des GSB haben die Oberbürgermeister/innen der
kreisfreien Städte in einer gemeinsamen Stellungnahme eine stärkere
Finanzausstattung der kreisfreien und
der größeren kreisangehörigen Städte gefordert, da das Gutachten die
bestehenden Defizite des kommunalen Finanzausgleiches in Thüringen belege. Sie
forderten: „Ziel einer Neuordnung des Finanzausgleichs müsste sein, dass alle
Thüringer Städte, Gemeinden und Landkreise mit einer entsprechenden
Finanzausstattung durch das Land dauerhaft in die Lage versetzt werden,
ausgeglichene Haushalte aufstellen zu können.“ (Anlage 2 Presseartikel TLZ).
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bereits mit Schreiben vom
19.06.2020 der Ministerpräsident und der
Innenminister des Freistaates Thüringen darum gebeten wurden, den nun seit dem
01.07.2021 geltenden Status der großen Kreisstadt Eisenach im Rahmen der
bevorstehenden Reform des kommunalen Finanzausgleiches ausdrücklich zu
berücksichtigen.
Die Staatssekretärin des Innenministeriums hat diesbezüglich mit
Schreiben vom 28.07.2020
mitgeteilt, dass dies im Rahmen der Begutachtung mit erfolgen soll.
Inzwischen wurde ein
durch die CDU-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenes, weiteres Gutachten
vorgelegt. Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat
im Rahmen einer „kritischen Analyse der Begutachtung des kommunales
Finanzausgleichs Thüringen durch das FiFo Köln“ zu diesem Gutachten Stellung
genommen.
Nachstehend werden die wesentlichen Schlussfolgerungen dieser Begutachtung dargestellt.
Auszug wesentlicher
Aussagen des Gutachtens der deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer, vom Juni 2021:
- Auf der Basis einer neuen, quantitativ anspruchsvollen, aber
methodisch wie inhaltlich höchst angreifbaren Rechenmethode, die zudem
nicht einmal bis zum Ende auf ihre Auswirkungen geprüft wurde, wird eine
Scheinrationalität suggeriert.“
- Die Berechnungen sind zudem gerade auch im Hinblick auf weitere
Anpassungsreaktionen bei der Kreisumlage unvollständig. Des Weiteren
werden Parameter der Steuer- und Umlagekraftberechnung zur Berechnung der
Schlüsselzuweisungen, die finanzstarke Kommunen begünstigen, nicht
überprüft.
- Die Berechnungen sind nicht nur deshalb kaum nachvollziehbar,
sondern auch weil z. B. auch die ortsscharfen neuen
Finanzbedarfskennziffern nicht ausgewiesen werden.
- Die Vorschläge implizieren vor diesem Hintergrund
höchstwahrscheinlich nicht nur vertikale Verwerfungen zwischen den
Landkreisen und ihren kreisangehörigen Städten und Gemeinden, sondern auch
zwischen kreisfreiem und kreisangehörigem Raum. Nach kursorischer Prüfung
der schmalen Dokumentation ist außerdem eine Polarisierung zwischen
finanzstarken und finanzschwachen Kommunen zu Lasten letzterer zu
erwarten.
- Die Probleme des kommunalen Finanzausgleiches in Thüringen
scheinen allerdings nicht so sehr in den verteilungsrelevanten Details der
Berechnung der Schlüsselzuweisungen zu liegen, sondern in seiner
unzureichenden Grunddotierung.
- Die Grundstrukturen, wie sie im Finanzausgleichsgesetz vorgesehen
sind, sollten belassen werden.
- Eine angemessene Aufstockung der Finanzausgleichsmasse I und ggf.
des Mehrbelastungsausgleichs nimmt den Druck aus dem System und schafft
Raum für „normale“ Anpassungsreaktionen der Kommunen.
Zu überprüfen wären
dabei lediglich,
- die Aufteilung der Teilschlüsselmassen für Gemeinde- und
Kreisaufgaben, die dann aber für keinen der beiden Dotationsbereiche mit
Kürzungen verbunden sein sollte,
- wie die Verteilungssymmetrie über eine Anpassung der
Nivellierungshebesätze an den Landesdurchschnitt und des 30%-Schlüssels
für die Berechnung der Kreisumlagekraft in die Nähe des
landesdurchschnittlichen Kreisumlagesatzes wieder verbessert werden kann
und die Frage,
- ob nicht ein kleiner Teil der Schlüsselzuweisungen wieder für
Investitionszwecke reserviert, also als Investitionsschlüsselzuweisungen
vergeben werden sollte, um ein Mindestniveau kommunaler Investitionen zu
sichern.
Mit Schreiben vom 25.08.2021 hat der GSB einen Referentenentwurf des Thüringer Ministeriums des Innern und für Kommunales (TMIK) für ein Gesetz zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes und zur Aufhebung des Gesetzes über eine Thüringer Investitionsoffensive mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 13.09.2021 übersandt. Urlaubsbedingt konnte hierzu im Rahmen der Fristsetzung bisher keine Stellungnahme abgegeben werden. Seitens der Verwaltung ist beabsichtigt, noch eine Stellungnahme zu erarbeiten und dem Gemeinde- und Städtebund zur Verwendung im weiteren (parlamentarischen) Verfahren zuzusenden.
Der GSB hat gegenüber dem TMIK mit Schreiben vom 22.09.2021 eine Stellungnahme zum Referentenentwurf zugesendet. Auf das ebenfalls als Anlage beigefügte Anschreiben wird verwiesen.
Die zentrale Forderung des GSB, „die gesamte kommunale Finanzausstattung mit frischem Geld dauerhaft deutlich“ aufzustocken, wird ausdrücklich geteilt, da diese seitens der Thüringer Kommunen in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhoben wurde. Begründet wurde und wird dies damit, dass der kommunale Finanzausgleich nicht ausreichend bedarfsgerecht dotiert und für eine bedarfsgerechte und ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine bessere Finanzausstattung der Kommunen unbedingt erforderlich sei bzw. ist.
Auf der Basis des vorliegenden Referentenentwurfes wurde
durch das TMIK im Rahmen einer Modellrechnung die für die einzelnen Kommunen
für das Jahr 2022 voraussichtlich zu erwartende Schlüsselzuweisung mitgeteilt,
sofern der Gesetzentwurf im Rahmen des noch anstehenden parlamentarischen
Verfahrens vom Thüringer Landtag in der vorliegenden Form tatsächlich
beschlossen werden würde. Entsprechend der vorgelegten Modellberechnung könnte
die große Kreisstadt Eisenach für das Jahr 2022 mit einer Schlüsselzuweisung in
Höhe von 13.516.882 Euro rechnen. Für das Jahr 2021 beläuft sich die
gemeindliche Schlüsselzuweisung auf 12.806.170,87 Euro, so dass sich im Vergleich beider
Jahre zwar eine Verbesserung ergibt, diese aber aller Voraussicht nach keine
bedarfsgerechte Finanzausstattung für die große Kreisstadt Eisenach darstellen
wird.
Inwieweit der vorliegende Referentenentwurf im noch durchzuführenden parlamentarischen Verfahren Änderungen erfahren wird, die sich positiv auch für die Stadt Eisenach auswirken, ist derzeit nicht absehbar.
Anlagenverzeichnis
Anlage 1a/b - Schreiben des Gemeinde –und Städtebundes vom
14.05.2021 und 22.09.2021
Anlage 2a/b - OB-Schreiben an den Ministerpräsidenten des Landes Thüringen und
den Minister des Innern und für Kommunales vom 19.06.2020
Anlage 3 - Schreiben der Staatsekretärin des TMIK vom 28.07.2020