Betreff
Bearbeitungsstand Bebauungsplan Nr. 50 Sondergebiet »Windenergie am Reitenberg« Neukirchen
Vorlage
1000-BR/2022
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

 

Bericht zum Bearbeitungsstand des Bebauungsplanes Nr. 50 »Sondergebiet Windenergie am Reitenberg« Neukirchen:

-        Auswertung der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange

-        Entwurfsplanung Bebauungsplan

 

Vorbemerkungen

Der Planungsprozess zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 50 »Sondergebiet Windenergie am Reitenberg« Neukirchen fällt nun in eine Zeit, welche zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses sowie auch der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung kein Mensch vorhersehbaren konnte. Es herrscht Krieg in Europa und der Mammutanteil der Versorgung Deutschlands mit fossilen Energieträgern erfolgte seit den letzten Jahrzehnten über ein autokratisch geführtes Land. Diese Abhängigkeit gilt es so schnell wie es nur irgend geht, aufzuheben.

 

Schon seit 1990 (Stromeinspeisungsgesetz vom 07.12.1990) werden in Deutschland Anstrengungen unternommen, die fossilen Energieträger durch erneuerbare Energien abzulösen. War die Notwendigkeit anfangs allein aus Gründen des Klimaschutzes bedingt, rücken nun allerdings die Versorgungsengpässe durch die besondere weltpolitische Situation in den Vordergrund.

 

Den Zielen der Bundesregierung nach sollen bis 2026 die Flächenanteile für den Bau von Windenergieanlagen von 1 % auf 1,26 % und bis zum Jahr 2032 auf 2 % erhöht werden.

Derzeitig drehen sich in Thüringen 880 Windräder auf 0,4 % der Landflächen. Absehbar ist also, dass der Ausbau der Windenergie auch in Thüringen forciert werden muss, um die Flächenziele des Bundes zu realisieren.

 

Vor diesem Hintergrund werden wohl zwangsläufig auch die durch den § 249 Abs. 3 BauGB gedeckten Landesgesetzgebungen zur sogenannten 10-H-Regelung Bayerns sowie die 1.000 m-Regelungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt und nicht zuletzt auch das Thüringer Waldgesetz, mit dem gesetzlich verankerten Ausschluss von Windenergie auf Waldflächen, bei Nichtrealisierung der Flächenziele, auf den Prüfstand gestellt werden müssen.

 

Zum Verfahren der Aufstellung des Bebauungsplanes

Der Stadtrat der Stadt Eisenach hat in seinen Sitzungen am 21.05.2019 die Aufstellung des o. g. Bebauungsplanes und am 15.06.2021 die Durchführung der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschlossen.

 

Die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung fand in der Zeit vom 06.09.2021 bis einschließlich dem 09.10.2021 statt.

Zudem wurden in der Zeit vom 14.01.2022 bis zum 22.03.2022 weitere Abstimmungen mit der Bundeswehr vorgenommen.

 

Informationen zum Planungsstand der Entwurfsplanung:

Sowohl das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege wie auch der Stadtrat der Stadt Eisenachs positionierten sich in Vorbereitung der Aufstellung des Bebauungsplanes zu einer Höhenfestsetzung, beruhend auf der vorhandenen Topographie im Geltungsbereich. Der Hintergrund für diese Festlegung ist der Beitrag des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie zum Entwurf des Regionalplans Südwestthüringen, welcher ursprünglich eine maximale Höhe von 480 m ü. NHN vorsah. Diese ursprüngliche genannte Höhe wurde vom Stadtrat der Stadt Eisenach auf 500 m ü. NHN erweitert und als Ziel im Aufstellungsbeschluss sowie auch im Beschluss zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange festgelegt.

 

Im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung wurden insbesondere vom Wartburgkreis, dem Thüringer Landesverwaltungsamt und von der Bundeswehr Einwendungen vorgebracht, welche die Grundzüge der Planungsziele betreffen und dem Stadtratsbeschluss vom 21.05.2019 sowie vom 15.06.2021 entgegenstehen.

-        Die Kreisplanung des Wartburgkreises (vgl. Stellungnahme des Wartburgkreises vom 13.10.2021, S. 4 – Anlage 1) machte u. a. deutlich, dass die derzeitig festgestellte Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen (WEA) erst ab einer Mindesthöhe von 200 m gegeben ist. Sie führt hierzu in Ihrer Stellungnahme folgendes aus:

„… Um unter den neuen Ausschreibungsbedingungen gem. EEG 2017 konkurrenzfähige Vorranggebiete Windenergie ausweisen zu können, orientiert die Studie [gemeint ist die »Windpotenzialstudie für die 4 Regionalen Planungsgemeinschaften in Thüringen« vom 05.12.2016] auf Nabenhöhen von 140  bis 160 m (Gesamthöhen 200 m bis 230 m) und auf eine Standortgüte als Schwellenwert für die Wirtschaftlichkeit, da das EEG 2017 einen standortbezogenen Nachteilsausgleich nur bis zu einem Anteil von 70 % am Referenzertrag vorsieht. Demnach ist die Gesamtanlagenhöhe von 200 m als Mindestmaß für eine heutzutage noch wirtschaftlich betreibbare Windkraftanlage anzusehen.“

-        Das Thüringer Landesverwaltungsamt führt des Weiteren aus:

(vgl. Stellungnahme des Thüringer Landesverwaltungsamt vom 06.10.2021, S. 4 – Anlage 2)

„… Die städtebauliche Steuerung [durch Höhenfestbegrenzung] findet allerdings dort ihre Grenzen, wo die Festlegung einer Höhenbegrenzung die Nutzung des Vorranggebietes für das Repowering der bestehenden Anlagen nicht mehr ermöglicht. Eine entsprechende Prüfung erfolgt im weiteren Verfahren.“

-        Die für den Denkmalschutz zuständige Behörde des Freistaates wies zudem darauf hin, dass zwar der Planungsalternative 1 der Begründung (Festsetzung der Höhenbegrenzung auf 500 m ü. NHN) zugestimmt wird, aber diese eben nicht zu einer Verhinderungsplanung führen darf.

(vgl. Stellungnahme des Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie vom 06.10.2021, S. 2 – Anlage 3)

-        Die Bundeswehr führte in ihrer Stellungnahme aus, dass der gesamte Geltungsbereich des Bebauungsplanes innerhalb eines Sicherheitskorridors einer Hubschraubertiefflugstrecke befindet und lehnte daher zunächst grundsätzlich den gesamten Bebauungsplan ab. (vgl. Stellungnahme des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vom 02.09.2021 – Anlage 4)

 

In der Stellungnahme des Wartburgkreises (Anlage 1 des Berichts) ist auch eine als Anlage 1 deklarierte Karte enthalten, welche die Anlagenhöhen in Verbindung mit der Topographie darstellt. Gemäß dieses Planauszugs wären also bei einer fortwährenden Höhenfestsetzung von maximal 500 m ü. NHN im gesamten Plangebiet keine wirtschaftlich betreibbaren Windenergieanlagen (Gesamthöhe von 200 m) mehr möglich und der Bebauungsplan ist demzufolge mit einer Verhinderungsplanung gleichzusetzen.

Die Nichtigkeit dieses Bebauungsplanes aber, würde im Prinzip zur Schutzlosigkeit der Stadt Eisenach sowie der Wartburg vor der Planungs- und Bautätigkeit der Windenergiebetreiber führen. Es gäbe hinfort keine Möglichkeit mehr, die maximal zulässigen Höhen der Windenergieanlagen festzulegen oder deren Standorte im Vorranggebiet zu lenken.

 

Momentan befinden sich innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes insgesamt 28 Windenergieanlagen, bei vollständiger Umsetzung des Bebauungsplanes, d. h., nach Rückbau der vorhandenen Altanlagen (Rückbau nach Nutzungsaufgabe), können nur insgesamt 12 Windenergieanlagen neu errichtet werden. Entsprechend ausgedünnt wäre die Bestandssituation, entsprechend reduziert wäre auch die Landschaftsbildbelastung auf dem Reitenberg. Diese Ausdünnung könnte also bei Nichtrealisierung des Bebauungsplanes so nicht erwartet werden (weitere Argumentationspunkte siehe Anlage 5 des vorliegenden Berichts).

 

Die Bundeswehr erhob nicht nur im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes, sondern auch bei der Änderung des Regionalplanes Südwestthüringen ihre grundsätzlichen Einwände. Demgegenüber standen allerdings die Entscheidungen im Einzelfall dieser Bundesbehörde. Die letzten Anträge für Windenergieanlagen für das Plangebiet aus dem Jahr 2019 wurden nämlich von der gleichen Behörde genehmigt. Nach mehreren Abstimmungsbemühungen mit der Bundesbehörde konnte am Ende doch noch ein Kompromiss gefunden werden, sodass nun die Fortführung der Planung überhaupt erst möglich ist (nähere Ausführungen hierzu s. Anlage 5).

 

Im Rahmen der Bearbeitung der Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplanes wurde durch den Stadtrat der Stadt Eisenach auch die Einhaltung der sogenannten 10-H-Regel gefordert.

Diese Regelung fand insbesondere in der Landesgesetzgebung des Freistaates Bayern Anwendung und wurde durch § 249 Abs. 3 BauGB ermöglicht. Die Aufnahme der 10-H-Regel in den Bebauungsplan kann in den Entwurf des Bebauungsplanes nicht erfolgen, weil sie nicht mehr der Gesetzgebung ab 15.05.2020 entspricht. In der Novelle des o. g. Paragraphen wurde nun ein maximal zulässiger Mindestabstand von 1.000 m eingeführt. Damit sind größere Abstandsforderungen von Windenergieanlagen zu Wohngebäuden durch die Landesgesetzgebung nicht mehr möglich und die 10-H-Regelung daher obsolet.

Abgesehen zu den bereits genannten gesetzgebenden Gründen würde eine 10-H-Regelung im Bebauungsplan ebenfalls zur Negativplanung führen, denn in diesem Falle wären nur noch Anlagen mit einer Gesamthöhe bis maximal 100 m zulässig und die Wirtschaftlichkeit der Windenergieanlagen entsprechend nicht mehr gegeben.

 

Zusammenfassung:

Die sich geänderte Energiesituation Deutschlands infolge der kriegerischen Auseinandersetzung Russlands mit der Ukraine und nicht zuletzt auch die klimatische Entwicklung sollte bei der Zielsetzung der Bauleitplanung umso mehr Beachtung finden. Die Windenergieanlagen müssen daher unbedingt wirtschaftlich betrieben werden können. Die ursprüngliche Zielsetzung von 500 m ü. NHN sollte zugunsten der Festlegung einer maximal zulässigen Höhe der Gesamtanlagen von 200 m zur Abwendung einer Negativplanung aufgehoben werden. Die Festsetzung von maximal 200 m hohen Anlagen stellt zugleich das Mindestmaß wirtschaftlich betriebsfähiger Anlagen dar und ist entsprechend als Kompromiss der Interessen der Energiepolitik des Bundes bzw. des Freistaates, des Denkmalschutzes und nicht zuletzt der Klimaschutzziele der Stadt Eisenach zu werten.

Die 10-H-Regelung bleibt zur Verhinderung einer Negativplanung als Bestandteil der Planung weiterhin ausgeschlossen.


Anlagenverzeichnis

 

Anlage 1 – SN LRA WAK (13.10.2021)

Anlage 2 – SN TLVwA (01.10.2021)

Anlage 3 – SN LA Denkmalpflege (08.10-2021)

Anlage 4 – SN Bundeswehr (02.09..2021)

Anlage 5 – Erläuterung Baugrenzen WEA (07.06.2022)