Sachverhalt:
Inkrafttreten des
Gesetzes zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land
(Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG) und die daraus resultierenden
Auswirkungen auf den Planentwurf des Bebauungsplanes Nr. 50 »Sondergebiet
Windenergie am Reitenberg« Neukirchen
Bisheriger Verfahrensverlauf der Aufstellung des Bebauungsplanes
·
Aufstellungsbeschluss
– gefasst am 21.05.2019 (Vorlagennummer: 1345-StR/2019)
·
Veränderungssperre
– gefasst am 10.09.2019 und am 19.10.2021 sowie am 13.09.2022 verlängert. Die
Veränderungssperre läuft am 27.11.2023 aus und kann nicht noch einmal
verlängert werden.
·
Billigung
Vorentwurf zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit – gefasst am
15.06.2021. (Vorlagennummer: 0515-StR/2021),
·
Frühzeitige
Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger
öffentlicher Belange– vom 06.09.2021 bis zum 22.10.2021
·
Billigung
Planentwurf zur förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit – beschlossen am
13.09.2022. (Vorlagennummer: 1034-StR/2022),
·
Förmliche
Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger
öffentlicher Belange – vom 21.11.2022 bis zum 13.01.2023
Das
Windenergieflächenbedarfsgesetz
Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (WindBG) wurde am 28.07.2022 im Bundesgesetzblatt verkündigt und trat am 01.02.2023 in Kraft.
Was soll mit diesem Gesetz (WindBG) geregelt werden?
In diesem Gesetz sind für jedes Bundesland Flächenanteile zum Ausbau der Windenergie sowie Termine zum Vollzug dieser Anteile festgelegt (§ 3 WindBG). Für Thüringen gilt ein anteiliger Ausbau der Windenergie von 1,8 % der Landesfläche bis zum Stichtag 13.12.2027 und 2,2 % bis zum Stichtag 31.12.2032. Darüber hinaus gelten bestimmte Meldepflichten der Länder bzw. der Regionen.
Werden die oben genannten Flächenanteile des jeweiligen Bundeslandes nicht erreicht, dann sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Windenergieanlagen (WEA) im Außenbereich dieser Länder bauplanungsrechtlich uneingeschränkt privilegiert und frei von jeglichen Festlegungen der Regional- oder Flächennutzungspläne (Vorranggebiete bzw. Sonderbauflächen Windkraft) sein. Die Ausschlusswirkung (Planvorbehalt) dieser Raumpläne wäre damit aufgehoben und die in der Landesgesetzgebung festgesetzten pauschalen Mindestabstände (in Thüringen § 91 ThürBO 1.000 m-Mindestabstand zu Wohngebäuden und Wohngebieten) wären hinfällig.
Erschwerend zur Umsetzung der Flächenanteile kommt hinzu, dass die Geltungsbereiche von Bebauungsplänen, welche Festsetzungen zur Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen enthalten und erst nach dem 01.02.2023 rechtskräftig werden, auf die geforderten Flächenanteile nicht anrechenbar sein werden (§ 4 Abs. 1 Satz 5 WindBG). Dies trifft exemplarisch auf den Bebauungsplan Nr. 50 zu.
Außerdem werden Repowering-Maßnahmen, also der Austausch bestehender Altanlagen gegen Windenergieanlagen neueren Typs, außerhalb der Vorranggebiete Windkraft und der Sonderbauflächen in Flächennutzungsplänen für die Windkraft generell im Außenbereich zulässig sein. Diese letztgenannte Festlegung ist allerdings vom Erreichen der Flächenziele unabhängig und gilt für Maßnahmen im Außenbereich, nicht aber für die beplanten Gebiete (Geltungsbereiche der Bebauungspläne) und für den Innenbereich nach § 34 BauGB.
Zu guter Letzt wird durch dieses Gesetz bestimmt, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Das bedeutet, staatliche Behörden haben dieses überragende öffentliche Interesse bei der bauleitplanerischen Abwägung mit anderen Rechtsgütern, wie z. B. Denkmalschutz, Landschaftsbild, Immissionsschutz, Naturschutz, Forstrecht, etc. einzustellen und entsprechend den Vorrang einzuräumen. Dieses gilt allerdings nur zeitlich begrenzt und nur bis zum Erreichen des festgesetzten Länderflächenziels.
Wie ist die planungsrechtliche Situation derzeitig
und zukünftig in Thüringen, im Planungsraum des Regionalplans Südwestthüringen,
bzw. im Stadtgebiet Eisenach und welche Auswirkungen hat das Gesetz für die
Stadt Eisenach und ihren Bebauungsplan Nr. 50?
Derzeit wurden in Thüringen 0,4 % der Landfläche und im Planungsraum des Regionalplanes Südwestthüringen 0,15 % (ca. 600 ha) davon allein in Eisenach ca. 243 ha[1] rechtskräftig für die Windenergie ausgewiesen.
Der Entwurf des Landesentwicklungsprogramms Thüringen (November 2022) legt nun folgende Teilziele für die Entwicklung der Windenergie für die Planungsregion Südwestthüringen fest:
§
bis zum
31.12.2027 – 1,1 % der Planungsregion, dies entspricht einer Landfläche
von 4.600 ha,
§
bis zum
31.12.2032 – 1,3 % der Planungsregion, dies entspricht einer Landfläche
von 5.600 ha.
Momentan befinden sich innerhalb
des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes 28 Windenergieanlagen. Bei
vollständiger Umsetzung des Bebauungsplanes, d. h., nach vollendetem
Rückbau vorhandener Altanlagen infolge Nutzungsaufgabe, können auf insgesamt 12
Bauflächen Windenergieanlagen ent- bzw. bestehen. Im Geltungsbereich des
Bebauungsplanes ist somit außerhalb der Bauflächen kein Repowering von
Altanlagen möglich.
Sollte die Stadt trotz allem an den Höhenfestsetzungen des Bebauungsplanes festhalten wollen, dann würden sich für das weitere Planverfahren sowie für das Stadtgebiet folgende Entwicklungen ergeben:
§
Die
Belange des Denkmalschutzes müssen zwangsläufig im weiteren Verfahren zur
Aufstellung des Bebauungsplanes in der Abwägung den Belangen der Windenergie
nachstehen; tun sie es nicht, führt dies zu einem Abwägungsfehler und im Falle
einer zu erwartenden Normenkontrollklage zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes.
Das Wegfallen des Bebauungsplanes führt wiederum nicht nur zur Errichtung höherer
Anlagen im gesamten Vorranggebiet, sondern faktisch auch zum möglichen
Repowering aller bestehenden Anlagen (theoretisch 28 Stück) auf dem Reitenberg.
§
Im Falle
eines fiktiven Fortbestehens des höhenbegrenzenden Plans ohne
Normenkontrollklage gehen der Planungsregion sowie dem Freistaat ca.
268 ha[2]
Flächenanteile für die Windkraft verloren, die an anderer Stelle, sehr
wahrscheinlich aber im Stadtgebiet, kompensiert werden müssen.
§
Werden
die Flächenziele des WindBG in Thüringen und in der Planungsregion
Südwestthüringen insgesamt nicht erreicht, dann gilt landesweit eine
uneingeschränkte Privilegierung der WEA im Außenbereich Eisenachs; also auch
außerhalb des Geltungsbereichs der im Regionalplan und Flächennutzungsplan
festgelegten Vorranggebiete und Sonderbauflächen. Jegliche Ausschlusswirkungen
(Planvorbehalte) entfallen somit. Dies betrifft dann auch eine potenziell
mögliche Erweiterung des Windparks östlich von Hötzelsroda durch Repowering
bzw. Neuplanung.
Empfehlungen
zum weiteren Vorgehen bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 50
Zur Fortführung des Bebauungsplans wird folgende Verfahrensweise empfohlen:
1.
Abänderung
des Bebauungsplanentwurfes durch Herausnahme der Höhenfestsetzungen für WEA,
2.
erneute
Beteiligung der Öffentlichkeit durch Offenlegung des geänderten Plans mit dem
Hinweis, dass Stellungnahmen nur zu den Planänderungen vorgebracht werden
können,
3.
neuerliche
Beteiligung der von der Planänderung betroffenen Behörden und sonstigen Träger
öffentlicher Belange, mit dem Hinweis, dass Stellungnahmen nur zu den
Planänderungen vorgebracht werden können,
4.
Gesamtabwägung
aller im Verfahren eingebrachter Stellungnahmen unter Berücksichtigung des
überragenden öffentlichen Interesses der erneuerbaren Energien,
5.
Satzungsbeschluss
und Inkraftsetzung des Bebauungsplanes vor Ablauf der Veränderungssperre