Betreff
Planungsstand Bebauungsplan Nr. 50 Sondergebiet "Windenergie am Reitenberg" Neukirchen
Vorlage
1271-BR/2023
Art
Berichtsvorlage

Sachverhalt:

Inkrafttreten des Gesetzes zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG) und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Planentwurf des Bebauungsplanes Nr. 50 »Sondergebiet Windenergie am Reitenberg« Neukirchen

Bisheriger Verfahrensverlauf der Aufstellung des Bebauungsplanes

·         Aufstellungsbeschluss – gefasst am 21.05.2019 (Vorlagennummer: 1345-StR/2019)

·         Veränderungssperre – gefasst am 10.09.2019 und am 19.10.2021 sowie am 13.09.2022 verlängert. Die Veränderungssperre läuft am 27.11.2023 aus und kann nicht noch einmal verlängert werden.

·         Billigung Vorentwurf zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit – gefasst am 15.06.2021. (Vorlagennummer: 0515-StR/2021),

·         Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange– vom 06.09.2021 bis zum 22.10.2021

·         Billigung Planentwurf zur förmlichen Beteiligung der Öffentlichkeit – beschlossen am 13.09.2022. (Vorlagennummer: 1034-StR/2022),

·         Förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange – vom 21.11.2022 bis zum 13.01.2023

Das Windenergieflächenbedarfsgesetz

Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (WindBG) wurde am 28.07.2022 im Bundesgesetzblatt verkündigt und trat am 01.02.2023 in Kraft.

Was soll mit diesem Gesetz (WindBG) geregelt werden?

In diesem Gesetz sind für jedes Bundesland Flächenanteile zum Ausbau der Windenergie sowie Termine zum Vollzug dieser Anteile festgelegt (§ 3 WindBG). Für Thüringen gilt ein anteiliger Ausbau der Windenergie von 1,8 % der Landesfläche bis zum Stichtag 13.12.2027 und 2,2 % bis zum Stichtag 31.12.2032. Darüber hinaus gelten bestimmte Meldepflichten der Länder bzw. der Regionen.

Werden die oben genannten Flächenanteile des jeweiligen Bundeslandes nicht erreicht, dann sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Windenergieanlagen (WEA) im Außenbereich dieser Länder bauplanungsrechtlich uneingeschränkt privilegiert und frei von jeglichen Festlegungen der Regional- oder Flächennutzungspläne (Vorranggebiete bzw. Sonderbauflächen Windkraft) sein. Die Ausschlusswirkung (Planvorbehalt) dieser Raumpläne wäre damit aufgehoben und die in der Landesgesetzgebung festgesetzten pauschalen Mindestabstände (in Thüringen § 91 ThürBO 1.000 m-Mindestabstand zu Wohngebäuden und Wohngebieten) wären hinfällig.

Erschwerend zur Umsetzung der Flächenanteile kommt hinzu, dass die Geltungsbereiche von Bebauungsplänen, welche Festsetzungen zur Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen enthalten und erst nach dem 01.02.2023 rechtskräftig werden, auf die geforderten Flächenanteile nicht anrechenbar sein werden (§ 4 Abs. 1 Satz 5 WindBG). Dies trifft exemplarisch auf den Bebauungsplan Nr. 50 zu.

Außerdem werden Repowering-Maßnahmen, also der Austausch bestehender Altanlagen gegen Windenergieanlagen neueren Typs, außerhalb der Vorranggebiete Windkraft und der Sonderbauflächen in Flächennutzungsplänen für die Windkraft generell im Außenbereich zulässig sein. Diese letztgenannte Festlegung ist allerdings vom Erreichen der Flächenziele unabhängig und gilt für Maßnahmen im Außenbereich, nicht aber für die beplanten Gebiete (Geltungsbereiche der Bebauungspläne) und für den Innenbereich nach § 34 BauGB.

Zu guter Letzt wird durch dieses Gesetz bestimmt, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Das bedeutet, staatliche Behörden haben dieses überragende öffentliche Interesse bei der bauleitplanerischen Abwägung mit anderen Rechtsgütern, wie z. B. Denkmalschutz, Landschaftsbild, Immissionsschutz, Naturschutz, Forstrecht, etc. einzustellen und entsprechend den Vorrang einzuräumen. Dieses gilt allerdings nur zeitlich begrenzt und nur bis zum Erreichen des festgesetzten Länderflächenziels.

Wie ist die planungsrechtliche Situation derzeitig und zukünftig in Thüringen, im Planungsraum des Regionalplans Südwestthüringen, bzw. im Stadtgebiet Eisenach und welche Auswirkungen hat das Gesetz für die Stadt Eisenach und ihren Bebauungsplan Nr. 50?

Derzeit wurden in Thüringen 0,4 % der Landfläche und im Planungsraum des Regionalplanes Südwestthüringen 0,15 % (ca. 600 ha) davon allein in Eisenach ca. 243 ha[1] rechtskräftig für die Windenergie ausgewiesen.

Der Entwurf des Landesentwicklungsprogramms Thüringen (November 2022) legt nun folgende Teilziele für die Entwicklung der Windenergie für die Planungsregion Südwestthüringen fest:

§  bis zum 31.12.2027 – 1,1 % der Planungsregion, dies entspricht einer Landfläche von 4.600 ha,

§  bis zum 31.12.2032 – 1,3 % der Planungsregion, dies entspricht einer Landfläche von 5.600 ha.

Momentan befinden sich innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes 28 Windenergieanlagen. Bei vollständiger Umsetzung des Bebauungsplanes, d. h., nach vollendetem Rückbau vorhandener Altanlagen infolge Nutzungsaufgabe, können auf insgesamt 12 Bauflächen Windenergieanlagen ent- bzw. bestehen. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist somit außerhalb der Bauflächen kein Repowering von Altanlagen möglich.

Sollte die Stadt trotz allem an den Höhenfestsetzungen des Bebauungsplanes festhalten wollen, dann würden sich für das weitere Planverfahren sowie für das Stadtgebiet folgende Entwicklungen ergeben:

§  Die Belange des Denkmalschutzes müssen zwangsläufig im weiteren Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes in der Abwägung den Belangen der Windenergie nachstehen; tun sie es nicht, führt dies zu einem Abwägungsfehler und im Falle einer zu erwartenden Normenkontrollklage zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Das Wegfallen des Bebauungsplanes führt wiederum nicht nur zur Errichtung höherer Anlagen im gesamten Vorranggebiet, sondern faktisch auch zum möglichen Repowering aller bestehenden Anlagen (theoretisch 28 Stück) auf dem Reitenberg.

§  Im Falle eines fiktiven Fortbestehens des höhenbegrenzenden Plans ohne Normenkontrollklage gehen der Planungsregion sowie dem Freistaat ca. 268 ha[2] Flächenanteile für die Windkraft verloren, die an anderer Stelle, sehr wahrscheinlich aber im Stadtgebiet, kompensiert werden müssen.

§  Werden die Flächenziele des WindBG in Thüringen und in der Planungsregion Südwestthüringen insgesamt nicht erreicht, dann gilt landesweit eine uneingeschränkte Privilegierung der WEA im Außenbereich Eisenachs; also auch außerhalb des Geltungsbereichs der im Regionalplan und Flächennutzungsplan festgelegten Vorranggebiete und Sonderbauflächen. Jegliche Ausschlusswirkungen (Planvorbehalte) entfallen somit. Dies betrifft dann auch eine potenziell mögliche Erweiterung des Windparks östlich von Hötzelsroda durch Repowering bzw. Neuplanung.

 

Empfehlungen zum weiteren Vorgehen bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 50

Zur Fortführung des Bebauungsplans wird folgende Verfahrensweise empfohlen:

 

1.       Abänderung des Bebauungsplanentwurfes durch Herausnahme der Höhenfestsetzungen für WEA,

2.       erneute Beteiligung der Öffentlichkeit durch Offenlegung des geänderten Plans mit dem Hinweis, dass Stellungnahmen nur zu den Planänderungen vorgebracht werden können,

3.       neuerliche Beteiligung der von der Planänderung betroffenen Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, mit dem Hinweis, dass Stellungnahmen nur zu den Planänderungen vorgebracht werden können,

4.       Gesamtabwägung aller im Verfahren eingebrachter Stellungnahmen unter Berücksichtigung des überragenden öffentlichen Interesses der erneuerbaren Energien,

5.       Satzungsbeschluss und Inkraftsetzung des Bebauungsplanes vor Ablauf der Veränderungssperre

 



[1] Größe der im Flächennutzungsplan dargestellten Sonderbauflächen »Windkraft«

[2] Größe des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes